Die Regierung hat wieder Spielraum

Kommentar zur Wachstumsprognose von Hannes Koch

Das Sparpaket sei ohne Alternative – so hatte die Regierung ihr geplantes Kürzungsprogramm im Sommer begründet. Davon abgesehen, dass es im politischen wie privaten Leben immer mehrere mögliche Wege gibt – nun erweist sich glücklicherweise: Die Regierung hat nicht Recht behalten. Der Aufschwung ist im Gange, die Steuereinnahmen steigen. Deshalb ist es auch weniger dringlich, zu sparen. Diesen neuen Spielraum allerdings negiert FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, um sein Ziel der Steuersenkung doch noch zu erreichen.

Gewiss: Die deutschen Staatsschulden haben eine besorgniserregende Höhe erreicht. Bald sind zwei Billionen Euro erreicht. Wegen der zunehmenden Belastung der öffentlichen Haushalte mit Zinsen gefährdet diese Verschuldung die Handlungsfähigkeit des Staates. Jeder Zins-Euro, den die Finanzminister an die Käufer von Staatspapieren zahlen, fehlt zur Finanzierung von Kindergärten, Schulen und Universitäten.

Andererseits muss die Regierung auf die sich wandelnden wirtschaftlichen Bedingungen reagieren. Der Wirtschaftsminister selbst hält es für möglich, dass der Export Deutschlands künftig eine geringere, die Binnennachfrage aber eine größere Rolle spielen könnte. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Politik die Konjunkturentwicklung im Inneren am besten fördern kann.

Steuersenkung für Wohlhabende, Abschaffung der Gewerbesteuer, wie die FDP es wünscht? Oder Rücknahme eines Teils der Sozialkürzungen des Sparpakets plus zusätzliche öffentliche Investitionen in die Bildungsinfrastruktur, die in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen sind? Das ist eine Alternative, vor der die Wirtschaftspolitik steht. Vieles spricht für die zweite Variante. Gerade von Bildung und Forschung hängt die ökonomische und soziale Zukunft Deutschlands ab.