"Die Kosten für die Verbraucher steigen kaum noch"

Ist Solarenergie zu teuer? Der durch Sonnenstrom verursachte Preisanstieg bei Elektrizität sei bald zu Ende, sagt Günther Cramer, Präsident des Verbandes der Solarwirtschaft. Die Ökoumlage wachse auf "maximal vier Cent pro Kilowattstunde"

Hannes Koch: Herr Cramer, das Image der Solarenergie war schon mal besser. Die Branche muss sich vorwerfen lassen, Milliarden-Subventionen zu vereinnahmen, aber wenig Strom zu liefern.

Günther Cramer: Das wundert mich nicht. Wir sind eine Bedrohung für die Unternehmen, die mit konventioneller Energie viel Geld verdienen. Diese haben für die dezentrale Stromerzeugung aus Solarenergie noch kein funktionierendes Geschäftsmodell. Wir nehmen ihnen Marktanteile weg – mit zunehmendem Tempo. Deshalb wehren sie sich mit allen Mitteln und auf allen Ebenen.

Koch: Auch die Verbraucherzentralen kritisieren ihre Branche. Denn die Bundesbürger müssen bald rund 60 Euro jährlich für Ökostrom zahlen. Die Umlage, die die saubere Energie finanziert, steigt. Ist die Solarenergie teurer Luxus und Geldverschwendung?

Cramer: Das Gegenteil trifft zu. Dieses Land hat sich demokratisch darauf geeinigt, den Systemwechsel in der Energieversorgung zu schaffen – weg von gefährlichen, klimaschädlichen und begrenzten fossilen Quellen, hin zur umweltfreundlichen Erzeugung aus unbegrenzten erneuerbaren und dezentralen Energien. Das ist natürlich mit Kosten verbunden. Aber damit erkaufen wir viele Vorteile: ein Energiesystem mit geringen Klimaschäden, relative Unabhängigkeit von Energieimporten, regionale Wertschöpfung in Deutschland und Gewinne durch den zunehmenden Export von Technologie. Das alles kostet uns maximal vier Cent pro Kilowattstunde Strom – ein durchaus akzeptabler Preis.

Koch: Schon 2011 macht die Ökoumlage, mit der jeder Stromverbraucher zur Finanzierung der Ökoenergie beiträgt, 3,5 Cent pro Kilowattstunde aus. Und der Anteil des Solarstroms soll weiter massiv zunehmen. Wie wollen Sie da mit vier Cent auskommen?

Cramer: Alte Anlagen, die ihren Strom zu höheren Preisen ins Netz einspeisen, fallen in den kommenden Jahrenaus aus der Förderung heraus. Zweitens sinkt die Einspeisevergütung für moderne Photovoltaik-Kraftwerke durch die gesetzlich vorgeschriebene Degression ständig. Und drittens steigt der Preis der konventionellen Energie an. Das bedeutet: Der Preisnachteil der Solarenergie nimmt ab. Wir erwarten keine nennenswerte Erhöhung der Umlage mehr. Die Kosten für die Verbraucher werden kaum noch wachsen.

Koch: Ist das realistisch? Sie rechnen mit mindestens der dreifachen Menge an Solarstrom bis 2020. Entsprechend müssten auch die Kosten für die Haushalte weiter steigen.

Cramer: Nein. Wenn sich das Angebot an Solarstrom verdoppelt, wächst die Gesamtbelastung für die Verbraucher nicht in gleichem Maße. Die Solarindustrie wird wettbewerbsfähiger. Alleine in den vergangenen fünf Jahren haben wir die Kosten der Stromproduktion mit Solaranlagen um 40 Prozent reduziert.

Koch: Sollten Sie mit Ihrem Vier-Cent-Versprechen Recht behalten, dann deshalb, weil Windenergie viel günstiger ist als Photovoltaik und den Durchschnittspreis der Ökoenergie drückt. Nur zwei Prozent des deutschen Stromverbrauchs kommen heute aus Solarzellen. Ihr Anteil an der Ökoumlage, die alle Stromkunden bezahlen, hingegen erreicht 25 Prozent. Bestreiten Sie dieses Missverhältnis?

Cramer: Elektrizität aus PV-Anlagen ist heute noch relativ teuer. Spätestens ab 2013 aber können Hausbesitzer ihren Solarstrom zum gleichen Preis erzeugen, den sie sonst an die Lieferanten konventioneller Energie zahlen müssten. Dann hat die im Gegensatz zur Windenergie sehr junge Branche einen wichtigen Schritt zur Wettbewerbsfähigkeit gemacht. Langfristig wird die Photovoltaik eine tragende Säule der Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sein.

Koch: Das würde nur für die Bürger gelten, die eigene Immobilien und Solaranlagen besitzen. Die Millionen Mieter in Deutschland müssten weiter den teueren Solarstrom aus dem Netz inklusive der Ökoumlage bezahlen.

Cramer: Unterschätzen Sie nicht den Anreiz, den die fallenden Produktionskosten ausüben. Auch Vermieter und Wohnungsbaugesellschaften sehen dann, dass die Solarenergie zunehmend konkurrenzfähiger wird. Das ist schon mal ein großer Fortschritt, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Zudem können sich Nicht-Eigenheimbesitzer an Solaranlagen finanziell beteiligen.

Koch: Wann werden Solaranlagen in Deutschland so kostengünstig produzieren, dass sie ohne Subventionen konkurrenzfähig sind gegenüber der konventionellen Energie?

Cramer: Das kann sehr schnell gehen. Unter der Voraussetzung, dass man den konventionellen Kraftwerken alle Nebenkosten zurechnet, die sie verursachen. Die Klimaschäden durch Öl- und Kohleverbrauch bezahlt heute die gesamte Gesellschaft. Da ist es kein Wunder, dass die Konzerne ihren Strom billig verkaufen können. Im Gegensatz dazu sind die Kosten für Erneuerbaren Energien transparent und ehrlich.

Koch: Konkret – wann sind Sie soweit, 2030 oder 2040?

Cramer: Sie machen Witze. Viel früher. Für die Windenergie liegt dieses Ziel schon in greifbarer Nähe. Und die Solarindustrie wird den Erfolg wiederholen.

Koch: Das bezweifelt unter anderem das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung. Deshalb solle man verstärkt auf Wind setzen und die Förderung der Solarenergie einschränken, argumentiert das RWI.

Cramer: Um das konventionelle System zu ersetzen, können wir uns nicht nur auf eine Erneuerbare Energieform beschränken. Wind alleine reicht nicht. Die unterschiedlichen Quellen müssen sich ergänzen. Gerade zu Zeiten des größten Bedarfs, beispielsweise in den Mittagsstunden, leisten PV-Anlagen einen wertvollen Beitrag.

Koch: Dieser könnte größer sein, wenn die deutsche Solarindustrie in den vergangenen Jahren mehr Geld in Forschung investiert und die jeweils neueste Technologie installiert hätte.

Cramer: Bei den Forschungsaktivitäten gab es unterschiedliche Zyklen. In den vergangenen drei Jahren haben die Hersteller ihre Anstrengungen wieder stark erhöht. Deutsche Unternehmen beliefern die ganze Welt, sie sind Technologieführer. Die SMA Solar Technology AG, unser Unternehmen, hat bei Wechselrichtern beispielsweise einen globalen Marktanteil von 40 Prozent. Das wäre nicht möglich, wenn wir nicht mir 600 Ingenieuren und einem Entwicklungsbudget von über 80 Millionen Euro in diesem Jahr an der Entwicklung neuer Produkte arbeiten würden.

Bio-Kasten

Günther Cramer (57) ist Miteigentümer der Solarfirma SMA in Niestetal bei Kassel. Das profitable Unternehmen stellt Wechselrichter her, die Gleichstrom aus Photovoltaik-Anlagen in Wechselstrom für die Steckdosen umwandeln. Gegenwärtig leitet Cramer den Bundesverband Solarwirtschaft, die Lobby der Unternehmen.

Info-Kasten

Streit über Ökostrom

Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ermöglicht den Betreibern von Wind-, Solar- und anderen Öko-Kraftwerken, Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Weil diese Elektrizität noch teuerer ist als Energie aus Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerken, wird sie subventioniert – mittels einer Ökoumlage, die alle privaten Stromverbraucher und manche Unternehmen bezahlen. Die Subvention soll den umweltfreundlichen Energien helfen, konkurrenzfähig zu werden. Nächstes Jahr steigt die Umlage auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde Strom, was scharfe Kritik unter anderem der Verbraucherzentralen auslöste. Deren Argument: Klimaschutz könne man billiger haben, Solarstrom sei zu teuer.