Industrie versteht die Warentester nicht

Hersteller werfen der Stiftung Warentest zu strenge Grenzwerte vor

Der Spielzeughersteller Goki im schleswig-holsteinischen Güster zählen sich zu den verantwortlichen Unternehmern. Die Gewinne aus dem Verkauf der Babyprodukte der Marke Cause werden in den Aufbau von Schulen in Entwicklungsländern gesteckt. Mit Ankerbaukästen setzt die Firma an anderer Stelle auf die alten Tugenden Kreativität und Experimentierfreude. Auch achtet einer der größten Anbieter von Holzspielzeug auf die sozialen Bedingungen in seinem chinesischen Markt. „Wir haben einen pädagogischen Anspruch an unser Spielzeug“, sagt Sprecher Helmut Roloff.

Doch das gute Image ist lädiert, seit die Stiftung Warentest einem Holzpuzzle von Goki eine starke Belastung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) attestierte. Firmenchef Fritz-Rüdiger Kiesel kritisiert die Testmethoden der Verbraucherschützer, weil sie weitaus strengere Grenzwerte für eine kritische Belastung gesetzt haben als die EU, 0,2 Milligramm pro Kilo Ware statt 1.000 Milligramm. „Es gibt Gremien, die wir nicht kennen und die etwas festlegen“, schimpft Kiesel. Obwohl sein Unternehmen alle gesetzlichen Vorgaben erfülle, würde man mit immer strengeren und neuen Richtlinien konfrontiert, bei deren Einhaltung es eigentlich weder erzgebirgische Pyramiden noch Weihnachtbaumschmuck geben dürfte. Allein die EU Schnullerkettenverordnung sei mittlerweile mit 70 Seiten Text drei Mal so lang wie zu Beginn. Wenn neben dem Gesetzgeber noch Verbraucherschützer eigene Maßstäbe anlegen, sei man überfordert, gesteht der Unternehmer, der für eine einzige Richtlinie mit einem einzigen Gütesiegel plädiert.

Goki war im Spielzeugtest der Stiftung nicht der einzige Problemfall. „Fast alle Spielzeuge enthalten Schadstoffe“, hieß es im Oktober. Von den 50 Produkten waren nur wenige absolut sauber. Das sorgt seither für Verunsicherung bei Händlern und Eltern – und für Frust bei den Herstellern. „Sehr stark belastet“, urteilten die Prüfer etwa bei einer Eisenbahn von Brio. Dessen Geschäftsführer Christian Alsbaek ist sauer. „Es ist nicht seriös, wie die Stiftung Warentest vorgegangen ist“, schimpft er und wirft den Testern politische Stimmungsmache vor. Dabei seien die Richtlinien schon extrem streng.

Ob die Kritik zu Recht erhoben wird, lässt sich kaum sagen. Denn bei den umstrittenen chemischen Stoffen kann eine tatsächliche Gesundheitsgefährdung gar nicht nachgewiesen werden. Sie stehen im Verdacht, Krankheiten auszulösen. Für die Berliner Warentester reicht das schon aus. „Bei PAK bieten die Grenzwerte keinen ausreichenden Schutz für Kinder“, begründet Test-Redakteurin Nicole Merbach die härteren Maßstäbe der Prüfer. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sowie das GS-Zeichen seien so streng bei den womöglich krebserregenden Substanzen. „Am besten wäre es, wenn man gar nichts davon im Spielzeug fände“, sagt Merbach. Die Kritik der Industrie lässt die Expertin nicht gelten. Es gebe Unternehmen die das schaffen.

Kasten: Riesengeschäft

Rund 110 Euro geben Eltern durchschnittlich für die Weihnachtsgeschenke jedes Kindes aus. Großeltern rangieren mit 100 Euro Aufwand knapp dahinter. Die Spielwarenbranche hofft trotz negativer Meldungen auf ein gutes Weihnachtsgeschäft. Damit wollen die Unternehmen erstmals einen Jahresumsatz von über 2,5 Milliarden Euro erzielen. Im Trend liegen nach Angaben des Branchenverbands in diesem Jahr die klassischen Spiele, die Kinder fördern und herausfordern. Das Wachstum der Computerspiele fällt wieder hinter das von Puzzles und Baukästen zurück. Der größte Teil der Spielwaren kommt mittlerweile aus China. Da dort die Kosten erheblich steigen, müssen sich Eltern und Großeltern 2011 auf steigende Preise einrichten.