Klettern die Preise für Brot oder Butter, merken Konsumenten es eher als wenn sie sinken. Doch warum ist das so? Die Antwort darauf hat Silke Tober, Leiterin des Referats Makroökonomische Grundlagenforschung vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturfo
Mandy Kunstmann: Frau Tober, nehmen Menschen Preissteigerungen eher wahr als Preissenkungen?
Silke Tober: Das ist tatsächlich so. Wir merken es eher, wenn Produkte teurer werden als wenn sie sich verbilligen. Das rührt daher, dass wir eine Abneigung gegen Verluste haben. Die entscheidungstheoretische Literatur bezeichnet das als „Verlustaversion“. Das ist ein Grund dafür, dass die wahrgenommene Inflation von der tatsächlichen von Zeit zu Zeit extrem abweicht. 2001 war das zum Beispiel der Fall.
Kunstmann: Wie war das denn 2001?
Tober: Die wahrgenommene Inflation lag 2001 und 2002 bei durchschnittlich sieben Prozent. Die tatsächliche Inflation hat aber nur zwei Prozent betragen. Gezeigt werden kann dies anhand von Professor Brachingers „Index der wahrgenommenen Inflation“, den das Statistische Bundesamt veröffentlicht hat.
Kunstmann: War der Euro Schuld, dass die empfundene Teuerungsrate so hoch war?
Tober: Es lag viel eher daran, dass in der Zeit einige Produkte teurer wurden, die die Deutschen häufig konsumieren. Die Preise für Bier in den Lokalen stiegen zum Beispiel an und auch die Brötchen beim Bäcker waren nicht mehr so billig wie vorher.
Kunstmann: Also spielt die Kaufhäufigkeit eine wichtige Rolle bei der Inflationswahrnehmung?
Tober: Ja genau. Verteuern sich Waschmaschinen, beeinflusst das unser Empfinden nicht so stark, als wenn Milch oder Butter teurer werden. Das liegt daran, dass wir Waschmaschinen nur alle zehn oder fünfzehn Jahre erwerben, Butter und Milch jedoch täglich benötigen und dementsprechend auch häufig kaufen.
Kunstmann: Nutzen Discounter das aus?
Tober: Ausnutzen würde ich es nicht nennen. Aber die Billig-Ketten wissen, dass Produkte, die oft benötigt werden, eine Signalfunktion haben. Mit niedrigen Preisen versuchen sie die Kunden zu locken.
Kunstmann: Kann man irgendwie herausfinden, ob man die Teuerungsrate gerade richtig oder falsch einschätzt?
Tober: Das Statistische Bundesamt errechnet die Inflation anhand eines Warenkorbs eines Durchschnittshaushalts. Jeder Haushalt ist aber unterschiedlich und so gibt der eine kein Geld für Benzin aus, weil er kein Auto hat, ein anderer benötigt mehr Strom, weil er jedes Jahr zu Weihnachten das Haus aufwendig beleuchtet. Online unter www.destatis.de kann jeder seinen eigenen Warenkorb zusammenstellen und so seine persönliche Teuerungsrate bestimmen.
Bio-Box: Dr. Silke Tober (geb. 1964 in Hamburg) ist seit 2005 Leiterin des Referats Makroökonomische Grundlagenforschung, Geldpolitik am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Zuvor war sie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) tätig.