Verschwiegenheit ist erste Kirchenpflicht

Über Finanzen sprechen die Kirchen nicht gerne / Jedes Jahr fließen Milliarden in die Klingelbeutel

Als Gott sich Moses vor langer Zeit offenbarte, ging es schließlich auch ums Materielle. „Alle Zehnten im Lande, vom Ertrag des Landes und von den Früchten der Bäume, gehören dem Herrn“, stellte ER auf dem Berg Sinai als Gebot klar. Die Gläubigen sollten also zehn Prozent all ihrer Einkünfte für den Herrn bereitstellen. Eine happige Forderung. Dagegen sind die Kirchen in Deutschland heute geradezu bescheiden. Acht Prozent ihrer Einkommensteuer bezahlen ihre Mitglieder in Bayern und Baden-Württemberg, neun Prozent in den anderen Bundesländern.

Auf diese Weise sammeln nicht nur Katholiken und Protestanten fleißig große Summen ein. Auch die jüdische Gemeinde, Freireligiöse Vereinigungen und die Unitarische Religionsgemeinschaft Freie Protestanten lassen den Fiskus für sich arbeiten. Denn in Deutschland treiben die Finanzämter für die Kirchen die Mitgliedsbeiträge ein. 4,9 Milliarden Euro konnten die katholische Bistümer 2009 verbuchen, 3,9 Milliarden Euro die evangelische Kirche. Den traditionellen Zehnten gibt es seit 1803 nicht mehr. Doch dafür handelten die Oberen Ausgleichsleistungen aus, die knapp 30 Jahre später in der ersten Kirchensteuer mündeten.

Und von der Militärseelsorge über den Religionsunterricht bis hin zur theologischen Ausbildung an den Universitäten erstattet der Staat die Kosten. Ein großer Block sind auch die so genannten Dotationen, die noch auf das 19. Jahrhundert zurückgehen und als Entschädigung für Enteignungen in der damaligen Zeit ausgehandelt wurden. 232 Millionen Euro weist die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) allein dafür im vergangenen Jahr aus. Schließlich lassen sich die Kirchen ihre Sozialarbeit vergüten. Pflegeheime oder Kindergärten betreiben sie im Auftrag, andere bezahlen. Eigene Mittel geben Pfarrer und Bischöfe kaum für Soziales aus, wie der Ausgabenbilanz der EKD zu entnehmen ist. Der Löwenanteil geht für Pfarr- und Gemeindedienste drauf. Allein die Verwaltung verschlang 761 Millionen Euro, die Vermögensverwaltung mehr als 300 Millionen Euro.

Genau lässt sich die Finanzkraft nicht ergründen. Informationen rücken beide großen Kirchen nur spärlich heraus. Das Thema ist offenkundig unangenehm. Die Schweigsamkeit gilt erst recht für die Vermögenslage. Auf 320 Milliarden Euro taxiert Kirchenkritiker Carsten Frerk die Anlagen der Kirchen. Die Zahl lässt sich weder bestätigen noch widerlegen. Denn aufgrund ihres Sonderstatus müssen Kirchen keine entsprechende Bewertung von Grundbesitz, Unternehmensbeteiligungen und anderen Anlagen veröffentlichen.