Touristen suchen sinnstiftende Reisen

Pilgerreisen und Klosteraufenthalte sind ein wachsender Nischenmarkt

Der Apostel Paulus kam viel herum. Missionsreisen führten ihn weit fort von seinem Wohnort Damaskus in Regionen, in denen die Deutschen heute gerne Urlaub machen. Zypern, Griechenland, Malta und schließlich Rom sind wichtige Stationen dieses urchristlichen Fremdenverkehrs. Nicht einmal ein Schiffbruch im Sturm vor Malta konnten den Verkündigungswillen des Begründers der ersten Gemeinden stoppen.

Gläubige und einfach nur interessierte Touristen nehmen noch heute Paulus Spuren auf. Reisen an die heiligen Stätten des alten und neuen Testaments, durch Israel, Ägypten oder die Türkei, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Rom, Sitz des Papstes und Zentrum der katholischen Kirche, steht bei den neuzeitlichen Pilgern auch hoch im Kurs. 20 Millionen Gäste reisen jährlich in die italienische Hauptstadt, wo Paulus der Legende nach von Kaiser Nero zum Tode verurteilt wurde.

Christliche Reisen sind ein kleiner Wachstumszweig im harten Tourismusgeschäft. „Da zerstören wir Mythen“, sagt Georg Röwenkamp, der Chef des mit der evangelischen Kirche verbandelten Unternehmens Biblische Reisen in Stuttgart. Seine Reiseleiter bringen den Gästen beispielsweise bei, dass die Mauern von Jericho doch nicht wie in der Bibel dargestellt von Posaunenklängen zum Einsturz gebracht wurden. Das Heilige Land ernährt so auch anderswo viele Menschen. 20.000 Teilnehmer zählt Röwenkamp im Jahr. Bis zu 30 Millionen Euro Umsatz bringen die Bibeltouren allein diesem Veranstalter ein.

„Die Nachfrage nach sinnstiftenden Reisen wächst“, beobachtet die Sprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV), Sibylle Zeuch. Noch seien religiös motivierte Touren allerdings ein Nischenmarkt. Das Angebot ist vielfältig. Pilger wandern auf dem Jakobsweg und gestresste Städter suchen Ruhe in der Abgeschiedenheit der Klöster. Allein die Liste der Reisebüros und Veranstalter mit entsprechenden Angeboten umfasst mehr als 100 Anbieter. Dabei gehen Erholung, Einkehr und Missionierung gelegentlich ineinander über, etwa bei der erzkonservativen und umstrittenen Piusbruderschaft.

Die Kirchen selbst mischen bei dem Geschäft auch kräftig mit. Ihnen gehören direkt oder indirekt viele Hotels und Jugendherbergen, Familienbegegnungsstätten und Reiseveranstalter. Aber auch weltliche Geschäftsleute profitieren vom religiösen Erbe. Was wäre Köln ohne den Dom touristisch wert? Mehr als eine halbe Millionen Besucher zählt das Weltkulturerbe am Rhein. Die Gäste lassen neben den 2,50 Euro für den Turmbesuch auch anderswo viel Geld in der Stadt.

Vom Leiden Jesu lebt auch Oberammergau alle zehn Jahre besonders gut. Die bayrische 1000-Seelen-Gemeinde veranstaltet seit dem Pestjahr 1633 seine Passionsspiele als Folge eines Gelübdes. 500.000 Besucher wollten in diesem Jahr die Mammutaufführung mit 2.500 Darstellern sehen. In Oberammergau blieben erkleckliche 25 Millionen Euro an Gewinn hängen. So wird das Gelübde immer wieder gerne erfüllt. Der nächste touristische Höhepunkt christlicher Touren zeichnet sich schon ab. 2017 jährt sich die Veröffentlichung der Thesen Martin Luthers zum 500. Mal. Die Tourismuswerber in Thüringen oder Sachsen-Anhalt ködern schon jetzt mit diesem religiösen Vermächtnis Gäste.