Die Situation des südeuropäischen Landes wird prekärer. Bundesregierung erwägt verstärkten europaweiten Kauf von Staatsanleihen bedrohter Länder. Wirtschaftsminister Brüderle warnt vor Schulden und plädiert für Staatspleite
Die Euro-Krise verschärft sich erneut. Nach Griechenland und Irland geht es diesmal um Portugal. Die Frage ist, ob die portugiesische Regierung ausreichende Mengen Geldes am internationalen Kapitalmarkt aufnehmen kann, ohne dafür so hohe Zinsen zahlen zu müssen, dass die Finanzkraft des Landes mittelfristig gefährdet ist. Am Mittwoch steht der nächste Termin für den Verkauf portugiesischer Staatsanleihen an.
Weil internationale Investoren die Stabilität der portugiesischen Staatsfinanzen bezweifeln, verlangten sie in den vergangenen Tagen steigende Zinsen. Diese lagen bis zu 4,3 Prozent über denen, die Deutschland zahlen muss. Am Montag nun sanken die Zinsen etwas – möglicherweise, weil die Europäische Zentralbank (EZB) selbst portugiesische Staatspapiere kaufte, um den Druck auf das südeuropäische Land zu senken.
Dieser Schutzmechanismus könnte künftig eine zunehmende Rolle spielen. Nach Informationen dieser Zeitung erwägt die Bundesregierung, dass auch der neue europäische Stabilisierungsfonds (ESM) ab 2013 die Möglichkeit bekommen könnte, selbst Staatsanleihen bedrohter Länder zu erwerben. Gegenüber der heutigen Situation hätte das einen entscheidenden Vorteil: Die EZB würde entlastet. Neben der Euro-Bank würde eine zweite europäische Institution geschaffen, die bedrohte Staaten durch öffentlichen Anleihekauf vor privaten Spekulationsattacken schützen könnte. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums wollte entsprechende Überlegungen am Montag allerdings nicht bestätigen.
Am Montag verhandelten die europäischen Regierungen erneut darüber, wie man der Euro-Krise kurz- und langfristig beikommen könne. Die Vorstellungen waren durchaus unterschiedlich – auch innerhalb der Bundesregierung. Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gemeinsame finanzielle Anstrengungen aller Euro-Staaten für notwendig hält, tritt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auf die Bremse. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums stellte gestern ein Gutachten vor, das vor der Staatsverschuldung warnt, die um Zuge der Euro-Rettung unablässig ansteigt. Brüderles Berater plädierten dafür, bedrohte Euro-Staaten pleite gehen zu lassen, anstatt sie vorher mit milliardenteuren Hilfskrediten zu retten.
Im konkreten Falle Portugals tragen solche Zukunftsüberlegungen jedoch nicht zu einer Lösung bei. In den kommenden Tagen und Wochen geht es in erster Linie darum, ob Lissabon Finanzhilfen aus dem europäischen Rettungsschirm beantragt oder nicht.
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Portugals Krise
Das Defizit im portugiesischen Staatshaushalt ist 2010 zwar gesunken, betrug aber immer noch 7,3 Prozent, etwa das Doppelte des deutschen. Bedrohlich ist dabei besonders, dass die Volkswirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft. In dem Widerspruch zwischen hohen Schulden und niedrigem Wachstum sehen die Investoren eine gute Gelegenheit, höhere Zinsen für portugiesische Staatsanleihen zu verlangen und damit die finanziellen Aussichten des Landes weiter zu verdüstern.