Agrarfabriken für preisgünstige Nahrungsmittel

Trotz Dioxin-Skandal: Ohne die industrielle Landwirtschaft wird es wohl nicht gehen

Der Skandal um das giftige Dioxin in Hühner-Eiern und Schweinefleisch hat die Debatte über die Agrarfabriken neu entfacht. 300 Wissenschaftler fordern den Ausstieg aus der Massentierhaltung. Aber kann Deutschland überhaupt ohne industrielle Landwirtschafts- und Lebensmittelbetriebe auskommen?

Brauchen wir die industrielle Landwirtschaft?

Ja, sieben Milliarden Menschen weltweit lassen sich nur ernähren, wenn die Landwirtschaft effektiv arbeitet. Das gilt erst recht angesichts der Zukunftsaussichten: Bis zur Mitte des Jahrhunderts werden neun Milliarden Menschen auf der Welt leben. Die großen Mengen Nahrungsmittel, die sie brauchen, kann man nur mit produktiven Maschinen, Ställen und Schlachthöfen herstellen.

Warum sind Agrarfabriken entstanden?

Wie in anderen Branchen auch, findet in der Landwirtschaft ein normaler Rationalisierungs- und Konzentrationsprozess statt. Kleine Betriebe sterben, die überlebenden wachsen. Oft wird vergessen, dass damit ein großer Vorteil einhergeht: Die Deutschen hungern nicht mehr. Auch hierzulande war bis ins 20. Jahrhundert hinein die Ernährung der Bevölkerung nicht immer gesichert. Die technischen Revolutionen in der Landwirtschaft seit dem 19. Jahrhundert haben dazu beigetragen, dass genug Lebensmittel zu Preisen hergestellt werden, die auch arme Menschen bezahlen können. „Ohne große, intensiv arbeitende Landwirtschaftsbetriebe geht es nicht“, sagt Agrar-Ökonom Harald von Witzke von der Berliner Humboldt-Universität.

Muss die Landwirtschaft noch moderner werden?

In Afrika, Asien und Lateinamerika hungert auch heute noch fast eine Milliarde Menschen – unter anderem, weil die Bauern auf zu kleinen Flächen unproduktiv arbeiten und zu wenige Nahrungsmittel herstellen. Und die Bevölkerung wächst dort am stärksten. Deshalb sind größere Bauernhöfe und Lebensmittelbetriebe mit besserer Technik notwendig.

Kann Deutschland sich gut ernähren?

Ja, wenn auch nicht alleine. Etwa Getreide und Ölsaaten kommen aus dem Ausland, weil bei uns mehr verbraucht als produziert wird. „Noch vor China ist die EU der größte Importeur von Nahrungsmitteln weltweit“, so von Witzke. Andererseits exportiert Deutschland unter anderem Milchprodukte und Fleisch. Für unsere in die internationale Arbeitsteilung eingebundene Landwirtschaft ist eine weitere Effizienzrevolution nicht notwendig, um die Bevölkerung zu ernähren.

Warum wachsen die Äcker und Ställe in Deutschland trotzdem?

Nach dem 2. Weltkrieg hat Europa ein milliardenteures Subventionssystem geschaffen, um die Landwirtschaft leistungsfähiger machen. Nun aber will die EU dieses Schutz- und Fördersystem ausdünnen. Ergebnis: Auch deutsche Bauern und Lebensmittelproduzenten sind zunehmend der internationalen Konkurrenz ausgesetzt. Weil es großen agrarindustriellen Unternehmen besser gelingt, zu niedrigen Preisen für den Weltmarkt zu produzieren, fördert die Politik nahezu uneingeschränkt das Größenwachstum.

Können wir die Agrarfabriken zivilisieren?

Ja. Strengere Vorschriften und Kontrollen tragen dazu bei, dass weniger schädliche Stoffe in die Produktionskette geraten. Oder man könnte Hühnern, Schweinen und Kühen per Gesetz mehr Platz in den Ställen zusprechen. Ein Ergebnis: Das Größenwachstum der Unternehmen würde gehemmt und der Tierschutz verbessert. Derartige Regelungen haben aber möglicherweise den Nachteil, dass die Betriebe weniger konkurrenzfähig sind. Ein zweiter Weg besteht für die Politik darin, die qualitativ höherwertigere, aber teurere Bio-Landwirtschaft zu unterstützen. Ob diese Strategie Erfolg hat, hängt aber auch von den Konsumenten ab. Verbraucher, die Agrarfabriken kritisieren, sollten sich dazu durchringen, selbst mehr Geld für ihre Lebensmittel auszugeben und auch weniger Fleisch zu essen.