Konzern-Kritiker vergeben Schmäh-Preis

Bei der Wahl zum „übelsten Unternehmen des Jahres“ steht der finnische Bio-Diesel-Hersteller Neste Oil an der Spitze der Internetabstimmung – gefolgt von BP und dem Zigarettenkonzern Philipp Morris. Die Negativ-Auszeichnung verleihen Firmen-Kritiker anläs

Die Konzern-Kritiker versuchen der globalen Manager-Elite die Show zu stehlen. Ihren Negativ-Preis an das „übelste Unternehmen des Jahres“ verleihen Alternativ-Aktivisten am kommenden Freitag zum Höhepunkt des traditionellen Weltwirtschaftsforums im schicken Schweizer Wintersport-Ort Davos. Die Abstimmung im Internet läuft (www.publiceye.ch). Auf dem Spitzenplatz steht zur Zeit der finnische Bio-Diesel-Hersteller Neste Oil, dem die Kritiker vorwerfen, Palmöl aus sozial und ökologisch schädlicher Produktion in Indonesien und Malaysia zu verkaufen.

Hinter Neste Oil folgt der Öl-Konzern BP, dessen Bohrinsel Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko versank und eine Ölpest an den Küsten der USA verursachte. Auf Platz drei der Internet-Abstimmung steht zur Zeit das Tabak-Unternehmen Philipp Morris, das „gegen Nichtraucherschutzgesetze in Uruguay klagt und damit den staatlichen Gesundheitsschutz unterminiert“. Weitere Kandidaten für den Schmähpreis sind der südafrikanische Bergbau-Konzern AngloGold Ashanti, das Schweizer Energie-Unternehmen Axpo und der iPhone-Produzent Foxconn.

Den Public Eye Award verleihen die Organisationen „Erklärung von Bern“ und Greenpeace. „Wir üben Druck auf besonders unverantwortliche Unternehmen aus, damit diese ihre menschen- und umweltverachtenden Geschäftspraktiken einstellen“, sagte Sprecher Oliver Classen.

Die Anschuldigungen gegen Neste Oil, einen der größten Produzenten von Agrartreibstoff weltweit, hat die holländische Organisation Friends of the Earth eingereicht. Einer der Hauptlieferanten von Neste Oil, die Firma IOI, sei „verwickelt in illegalen Holzeinschlag, Brandrodungen und Vernichtung von Orang-Utan-Gebieten“ unter anderem in Indonesien, erklären die Kritiker. Durch die Abholzung von Tropenwäldern und die schnelle Ausdehung der Palmöl-Plantagen würden die natürlichen Kohlenstoffspeicher zerstört, das Klima geschädigt, der Boden mit Chemikalien verseucht, angestammte Bauern von ihrem Land verdrängt und die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben.

Gegenüber Spiegel Online wehrte sich Neste Oil mit dem Hinweis, nur nachhaltig produziertes Palmöl von zertifizierten Herstellern zu verwenden. „Neste Oil unterstützt den Naturschutz und wendet sich gegen die Abholzung von Regenwäldern.“ Die Firma sei im Dow Jones Sustainability World Index gelistet, einem Aktienindex mit ökologisch vorbildlichen Unternehmen, so Sprecherin Hanna Maula. Auf die konkreten Vorwürfe, die den Lieferanten IOI betreffen, ging Neste Oil in seiner Stellungnahme nicht ein.

Dem bislang zweitplazierten Kandidaten BP wirft Public Eye vor, im Frühjahr 2010 „die zweitgrößte Ölkatastrophe aller Zeiten“ verursacht zu haben – „nur Saddam Husseins Abfackeln der kuwaitischen Ölfelder 1991 war noch verheerender“. Über Jahrzehnte werde „die gesamte Nahrungskette“ im Golf von Mexiko „beeinträchtigt, unter Wasser treibende Öl- und Gaswolken werden riesige Zonen des Ozeans abtöten“. „Trotz dieser katastrophalen Erfahrungen“ würde BP „hochriskante Ölfördertechniken wie Tiefsee-Bohrungen“ weiter ausbauen. Gegenüber Spiegel Online wollte die Pressestelle des BP-Konzerns „keinen Kommentar“ abgeben. Das Tabak-Unternehmen Philipp Morris erklärte, uruguayische Gesetze zum Nichtraucherschutz nicht in Frage zu stellen.

Die Nichtregierungsorganisation Wacam aus Ghana schlug AngloGold Ashanti für den Schmähpreis vor, weil der Bergbau-Konzern mit Zyanid-Abfällen aus seiner ghanaischen Goldproduktion „Flüsse und Brunnen“ vergifte. Gegenüber Spiegel Online erklärte AngloGold-Sprecher Alan Fine, das Unternehmen habe inzwischen große Summen investiert, um „die sozialen und ökologischen Altlasten zu beseitigen“.

Der Schweizer Energie-Konzern Axpo wurde nominiert, weil er nach Angaben der Kritiker seine Atomkraftwerke unter anderem mit „Uran aus der russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak“ betreibt. „Majak gilt neben Tschernobyl als verstrahltester Ort der Welt“. In seiner Stellungnahme für Spiegel Online äußerte ein Axpo-Sprecher „Befremden“ über die Nominierung. Axpo sei „Transparenz und Nachhaltigkeit verpflichtet“.

Auf die Vorwürfe gegen den taiwanesischen Elektronik-Konzern Foxconn antwortete ein Sprecher, das Unternehmen nehme „seine Verantwortung für die Beschäftigten sehr ernst“. Die Hongkonger Arbeiterrechtsorganisation Sacom hatte Foxconn zur Last gelegt, die Arbeiter in China so auszubeuten, dass sich im vergangenen Jahr „mindestens 18 das Leben“ genommen hätten.

„Der Negativ- Preis ist ein Mittel, um die Unternehmen zu Transparenz zu motivieren “, sagte OpenLeaks-Mitgründer Daniel Domscheit-Berg gegenüber Spiegel Online. Im Rahmen der Preisverleihung in Davos wird Domscheit-Berg Details der neuen Internet-Plattform OpenLeaks präsentieren. Diese soll frühestens Ende Februar ihren Probebetrieb aufnehmen. Domscheit-Berg geht davon aus, „dass mit Hilfe von OpenLeaks und seinen Partnern mehr geheime Informationen aus Unternehmen an die Öffentlichkeit gelangen werden“ als bei WikiLeaks. Diese Organisation des Gründers Julian Assange hat Domscheit-Berg unlängst im Streit verlassen. OpenLeaks werde enger mit Organisationen zusammenarbeiten, die sich beispielsweise mit Korruption oder Steuerflucht in Unternehmen beschäftigten.

OpenLeaks soll Tippgebern, so genannten Whistleblowern, ermöglichen, verborgene Informationen aus Wirtschaft und Politik bekannt zu machen. „Viele Unternehmen haben einen großen Nachholbedarf, was die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards angeht“, so Domscheit-Berg. „Damit die Verbraucher ihre Kaufentscheidungen treffen können, brauchen sie etwa Informationen über die Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie.“ Sowohl Public Eye als auch OpenLeaks würden der Öffentlichkeit solche Hinweise zur Verfügung zu stellen.