Kommentar
Die Lokführer lassen wieder einmal ihre Muskeln spielen und streiken. Doch diesmal könnte der Schuss nach hinten losgehen.
Es werden Erinnerungen an das Jahr 2007 wach, als ihre Gewerkschaft GDL nach langem Arbeitskampf einen eigenen Tarifvertrag und satte Lohnsteigerungen durchsetzte. Die Fahrgäste nahmen die Unannehmlichkeiten überwiegend gelassen hin, weil der Arbeitskampf angesichts eher karger Löhne für das Personal im Cockpit angemessen erschien. Mit dem damaligen Erfolg sind Tarifverhandlungen bei der Bahn kompliziert geworden, weil das Unternehmen immer mit zwei Gewerkschaften getrennt verhandeln muss. GDL-Chef Claus Weselsky verfolgt gegenüber dem Konzern eine einfache Taktik. Die GDL wartet den Abschluss eines Tarifvertrags der anderen Verkehrsgewerkschaft ab und verlangt dann noch ein bisschen mehr für ihre eigenen Leute. So wird die Spartengewerkschaft attraktiv für alle Lokführer und und ihre Führung kann sich einer erfolgreichen Verhandlungstaktik rühmen.
Auch diesmal setzt Cheffunktionär Claus Weselsky auf die Macht der Berufsgruppe. Ohne die Männer vorne im Zug läuft auf der Schiene gar nichts. Es ist fraglos das gute Recht der GDL, für ihre Leute das Bestmögliche herauszuholen. Aber es ist auch richtig, dass sich die Befürchtung einer zunehmend zerklüfteten Tariflandschaft bestätigt. Auch anderswo diktieren zunehmend kleine Fachgewerkschaften das Tarifgeschehen, weil sie im Arbeitskampf am längeren Hebel sitzen. Verlierer sind beileibe nicht nur die Unternehmen. Vielmehr trifft es auch den Rest der Belegschaft. Denn sie bezahlen das Mehr für die einen durch ein bisschen weniger Mehr auf ihrem Lohnkonto. Etwas mehr Solidarität untereinander stünde den Gewerkschaften gut zu Gesicht.
Ob die Rechnung der GDL aufgeht, ist eher ungewiss. Die Lage ist nicht mit 2007 vergleichbar. Es liegen passable Angebote auf dem Tisch und die Gewerkschaft kann ihr stures Verhalten kaum schlüssig erklären. Die für einen längeren Arbeitskampf notwendige öffentliche Unterstützung ist nicht erkennbar. Das wird auch Weselsky wissen und nach den Kraftübungen der Basis wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Das könnte er genauso gut auch gleich tun.