Inflation I: Durch weltweites Wachstum und zu großen Geldnachschub steigen die Preise. Doch Ökonomen sind optimistisch, dass die Inflation im Rahmen bleibt
Nicht immer ist Politik so erfolgreich wie in diesem Fall. Seit 30 Jahren haben die Regierungen der westlichen Industriestaaten versucht, die Inflation niederzudrücken – und es ist ihnen gelungen. Neuerdings aber hat das I-Wort wieder Konjunktur. Laufen wir wie in den 1970er Jahren heute Gefahr, dass die steigenden Preise die Kaufkraft der Arbeitnehmer-Einkommen entwerten?
Zunächst einmal: Die Preise von Industrieprodukten und Dienstleistungen steigen schneller als im vergangenen Jahr. Die Inflationsrate kletterte im Februar 2011 im Vergleich zum Vorjahresmonat auf zwei Prozent, erklärte das Statistische Bundesamt. Im Durchschnitt des Jahres 2010 hatten sich die Preise dagegen nur um durchschnittlich 1,1 Prozent erhöht.
Trotzdem ist die Mehrheit der Ökonomen einig, dass sich die Deutschen keine allzu großen Sorgen machen müssten. „Es besteht keine ernsthaft problematische Situation“, sagt etwa Ferdinand Fichtner, Konjunkturforscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das gelte auch, wenn die Preiserhöhungen im kommenden Jahr über zwei Prozent hinausgingen, so Fichtner.
Dass die Preise augenblicklich stärker steigen als früher, hat weltwirtschaftliche Gründe. In Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien wächst die Wirtschaft rasant. Die positive Auswirkung für die dortige Bevölkerung: Die Armut geht zurück und der Wohlstand nimmt zu.
Menschen mit höherem Einkommen aber konsumieren anders. Beispielsweise kaufen sie mehr Elektrizität und Fleisch. Die höhere Nachfrage bewirkt dann, dass die Preise anziehen, was sich auch in Europa bemerkbar macht. Weil die Aufholjagd der südlichen Länder nicht in ein paar Jahren erledigt ist, werden uns höhere Inflationsraten wohl eine längere Zeit begleiten.
Hinzu kommen die bedenklichen Auswirkungen der Finanzkrise. Um den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern, haben die Regierungen unter anderem in den USA und Europa mittels Staatsverschuldung Billionen Euro in die Märkte gepumpt. Die Besitzer dieses Geldes suchen nun profitable Investitionsmöglichkeiten. „Die Anleger wissen nicht, wohin mit dem vielen Geld“, sagt DIW-Mitarbeiter Fichtner. „Deshalb trägt die Finanzspekulation zum Preisanstieg bei Energie und Lebensmitteln bei“. Die Gefahr neuer Spekulationsblasen sieht der Ökonom auch bei den steigenden Aktienkursen und der größeren Zahl von Firmenübernahmen.
Diese Risikofaktoren existieren zwar. Doch die Europäische Zentralbank hat bereits angekündigt gegenzusteuern. Viele Ökonomen erwarten, dass EZB-Präsident Jean-Claude Trichet die Leitzinsen im Herbst erhöht. Bisher liegen sie beim historisch niedrigen Satz von einem Prozent. Höhere Zinsen bedeuten, dass es für Banken und Unternehmen teurer wird, Geld zu leihen und zu investieren. Das senkt die Nachfrage und dämpft die Preissteigerungen. Andere Zentralbanken werden ebenso handeln und den Geldnachschub wieder drosseln. Wenn das klappt, können die Preissteigerungen im Rahmen bleiben.
Auch an einem anderen Punkt ist DIW-Mitarbeiter Fichtner optimistisch: „Überhöhte Lohnforderungen sind nicht zu erwarten.“ In den 1970er Jahren haben Gewerkschaften nicht selten zweistellige Forderungen gestellt und damit die Inflation zusätzlich angeheizt. Heute sind die deutschen Arbeitnehmerorganisationen in der Regel zufrieden, wenn sie Lohnsteigerungen von drei oder vier Prozent durchsetzen.