Rund 45 Prozent der deutschen Erwerbstätigen arbeiten auf flexiblen, modernen Stellen. 55 Prozent haben normale Vollzeitarbeitsplätze. Warnung vor Spaltung des Arbeitsmarktes
Etwa 55 Prozent der deutschen Erwerbstätigen arbeiten noch auf Stellen, die früher als „normal“ galten – unbefristet, sozialversichert, Vollzeit, staatlich nicht alimentiert. Die übrigen 45 Prozent der Beschäftigten haben Arbeitsplätze, die irgendwie flexibel und modern sind. Dazu gehören beispielsweise Teilzeitjobs, befristete Stellen, Zeit- und Leiharbeit und geringfügig bezahlte Tätigkeiten.
Früher war der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse höher. Vor 15 Jahren betrug er rund 66 Prozent. Seitdem hat der Anteil der normalen Arbeitsplätze um ungefähr elf Prozent abgenommen. Trotzdem sei „das Normalarbeitsverhältnis kein Auslaufmodell“, sagte Joachim Möller am Donnerstag in Berlin. Der Direktor des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (IAB) warnte gleichwohl: „An den Rändern bröckelt es, die Arbeitswelt driftet auseinander“.
Einerseits können Beschäftigte, die gute Jobs haben, immer noch relativ sicher sein. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer auf normalen Arbeitsplätzen ist in den vergangenen 20 Jahren sogar von 10,3 auf 10,8 Jahre angestiegen. Allerdings gibt es auch die andere Seite: Jeder Zweite, der eine neue Stelle findet, muss sich erst einmal mit einem befristeten Vertrag begnügen. Und besonders Jüngere unter 30 Jahren wechseln schneller. Früher arbeiteten sie durchschnittlich 800 Tage in derselben Firma, heute sind es nur noch 600 Tage.
In dieser Entwicklung spiegeln sich ökonomische Veränderungen. So wächst der Dienstleistungssektor, wo flexibler gearbeitet wird als in der alten Werkhallen der Industrie. Hinzu kommen politischen Reformen wie die Hartz-Gesetze, die die geringfügigen Minijobs und die Leiharbeit fördern. Aber auch neue Bedürfnisse der Menschen machen sich bemerkbar. „Die Leute wollen häufig flexibel arbeiten“, sagte IAB-Direktor Möller.
Beispiel Teilzeit: Diese hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf 8,7 Millionen Erwerbstätige verdoppelt. Dies gilt besonders für Frauen, die häufig Teilzeitarbeit wählen, um Beruf und Kindererziehung zu kombinieren. Oft ist das freilich kein freiwilliges Modell, denn es fehlen Betreuungsplätze für Kinder.
Einen großen Anteil der modernen Stellen machen auch die geringfügigen Jobs aus. Es sind mittlerweile 4,8 Millionen. Hinzu kommen etwa eine Million Leiharbeiter. Diese werden im Durchschnitt 20 Prozent schlechter bezahlt als ihre Kollegen auf festen Stellen. Nur rund zehn Prozent von ihnen finden im Anschluss eine reguläre Beschäftigung. 90 Prozent bleiben längere Zeit Leiharbeiter.
Zählt man Teilzeit, befristete Beschäftigung, Leiharbeit, geringfügige Jobs und prekäre Selbstständige (viele Ein-Personen-Betriebe) zusammen, kommt man auf etwa 18 Millionen Beschäftigte. Insgesamt arbeiten in Deutschland rund 40 Millionen Erwerbstätige.
Dass die Entwicklung in diese Richtung weiterläuft, ist keine Notwendigkeit. „Wenn man nicht aufpasst, kommt es zur weiteren Spaltung“, warnte Möller. Die Politik könne allerdings auch gegensteuern. Als Beispiel nannte er den möglichen Entzug der steuerlichen Förderung für Mini-Jobs. Die verlören dann ihre Attraktivität für Arbeitgeber, die folglich reguläre Beschäftigte einstellen müssten.
Info-Kasten
Leiharbeit
Zeit- und Leiharbeiter in Deutschland verdienen 20 Prozent weniger als reguläre Beschäftigte. Nach Auskunft des IAB ist das in Dänemark anders: Dort würden Leiharbeiter besser bezahlt als feste Arbeitskräfte, sagte IAB-Direktor Joachim Möller. Um die Nachteile der hiesigen Leiharbeiter auszugleichen, schlägt er vor, ihre Bezahlung mit einem verpflichtenden Stufenmodell innerhalb von sechs Monaten auf das Lohnniveau der im gleichen Betrieb beschäftigten Stammbelegschaft anzuheben.
Grafikmaterial gibt es hier:
http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb0411.pdf
Zahlen hier:
http://www.iab.de/presse/030311z