Angaben der Liste, welche Fahrzeuge das neue Bioethanol-Benzin vertragen, seien „rechtsverbindlich“, sagt der Verband der Autohersteller beim Benzin-Gipfel. Die Listen sollen unverzüglich an allen Tankstellen ausgelegt werden.
Das Wort „Haftung“ wollte Klaus Bräunig nicht in Mund nehmen. Allerdings erklärte der Vertreter der Autohersteller beim Benzin-Gipfel im Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag, dass die Autofahrer den Auskünften der Unternehmen trauen könnten. „Die Angaben in der DAT-Liste sind rechtsverbindlich“, so Bräunig. In dieser Liste der Deutschen Automobil-Treuhand steht, welche Fahrzeuge das neue E10-Benzin mit höherem Ethanol-Zusatz ohne Probleme vertragen – und welche nicht.
„Damit sind die Autohersteller haftbar“, hieß es dazu aus dem Verbraucherschutz-Ministerium von Ilse Aigner (CSU). Im Zweifelsfall müssten VW, BMW und Co. also Motorschäden bezahlen, die wider Erwarten künftig durch E10 auftreten könnten.
Für zweieinhalb Stunden trafen sich gestern drei Bundesminister mit Vertretern der Wirtschaft und Verbraucherschützern. Anlass war, dass bisher weniger Autofahrer als erwartet das neue Benzin mit dem zehnprozentigen Anteil Ethanol tanken. Verbreitet ist die Sorge, dass E10 den Motoren der Fahrzeuge schaden könnte. Die E10-Tanks der Benzin-Hersteller sind deshalb randvoll, während die Autofahrer aber überwiegend konventionelles Super tanken. Daraus entsteht ein Nachschub-Problem für die Raffinerien und ein politisches Problem für die Regierung, die E10 fördert, um den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids zu verringern.
„Gemeinsam“, wie Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), betonte, wollten alle Beteiligten die Einführung von E10 weiter unterstützen und dafür sorgen, dass die Autofahrer mehr und eindeutigerere Informationen erhalten. Der wichtigste Punkt: An allen Tankstellen sollen so schnell wie möglich die Verträglichkeitslisten ausgelegt werden. Bisher hatten sich die Ölkonzerne und Tankstellenbetreiber mit derartigen Handreichungen sehr zurückgehalten. Die Autofahrer mussten selbst recherchieren. Ein Anschreiben an alle Autobesitzer durch das Kraftfahrtbundesamt, wie es in den vergangenen Tagen diskutiert, wird es aber auch jetzt nicht geben.
„40 Prozent der Autofahrer“ würden bereits jetzt E10 tanken, sagte Umweltminister Röttgen, der bei der Einführung des neuen Benzins federführend ist. Die Verwirrrung der vergangenen Tage und die Zurückhaltung der Verbraucher drohen, sich zu einer Niederlage für Röttgen auszuwachsen. Indem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zum Benzin-Gipfel einlud, düpierte er seinen Ressortkollegen Röttgen zusätzlich. Im Umweltministerium versuchte man den unfreundlichen Akt gestern herunterzuspielen. Weil es jetzt vornehmlich um die mangelnden Verbraucherinformationen seitens der Benzin- und Autoindustrie gehe, sei das Thema beim Wirtschaftsministerium „richtig angesiedelt“, sagte der BMU-Sprecher.
Manche Autofahrer haben aber nicht nur Sorgen wegen der vermeintlichen technischen Probleme des neuen Sprits. Auch die Umweltfreundlichkeit des Treibstoffs wird bezweifelt. Darauf reagierte Röttgen, indem er die ökologischen Vorteile von E10 herausstellte. In Deutschland soll demnach nur Bio-Ethanol verwendet werden, wenn es gegenüber fossilem Benzin mindestens 35 Prozent Kohlendioxidausstoß einspart. Dies will man dadurch gewährleisten, dass die Ethanol-Hersteller den Produktionsweg des Pflanzentreibstoffs lückenlos mit speziellen Zertifikaten nachweisen. Dies überprüft die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).
Allerdings räumt auch das Umweltministerium ein, dass ein heikler Punkt kaum zu kontrollieren ist. Der Anbau von Zuckerrohr für die Ethanolproduktion auf riesigen Flächen beispielsweise in Südbrasilien kann dazu führen, dass unberührte Wälder für den Anbau von Nahrungsmitteln gerodet werden. Die ökologischen Folgen „dieser Verdrängung zu berechnen, ist extrem schwierig“, sagt Jörg Priess vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Käme es zu diesen Folgen, würde sich die vermeintlich positive Klimabilanz des Sprits mit Bioethanol-Anteil wesentlich verschlechtern.