Eine bescheidene Lohnsteigerung

Tariferhöhungen für Landesbedienstete – eine Analyse

So ist das in Deutschland – bloß nicht übertreiben, immer schön mittig bleiben. An diese intuitive Maxime haben sich Gewerkschaften und Landesregierungen gehalten, als sie am Donnerstag Abend eine moderate Lohnerhöhung für knapp 600.000 Angestellte der Bundesländer vereinbarten. Die Privathaushalte werden unter dem Strich ein bisschen mehr Geld für Konsum und Sparen zur Verfügung haben.

In den Genuss der Lohnerhöhung kommen beispielsweise die angestellten Lehrerinnen und Lehrer, das Pflegepersonal und die Ärzte der Landeskliniken, die Beschäftigten in Landesministerien oder auch die Mitarbeiter von Straßenmeistereien, die die Landstraßen in Ordnung halten. Möglicherweise wird der Abschluss auch auf die Beamten der Länder übertragen.

In Zahlen sieht die Vereinbarung so aus: Nach Berechnungen der Gewerkschaft Verdi bekommen die Angestellten in diesem Jahr durchschnittlich 2,3 Prozent mehr Lohn. 2012 wird sich der Zuschlag auf 2,55 Prozent belaufen. Die Erhöhung ist aufgeteilt auf verschiedene Einmalzahlungen und lineare Anhebungen der Tarife.

Dabei fällt der Abschluss etwas bescheiden aus. Die gute Nachricht: Die Kaufkraft der Landesangestellten wird 2011 und 2012 vermutlich wenigstens nicht sinken. Denn die Lohnerhöhung gleicht in etwa die Geldentwertung aus. Die Inflationsrate dürfte sich Annahmen von Ökonomen zufolge dieses Jahr um die zwei Prozent bewegen, und in 2012 etwas höher ausfallen. Dass Verbraucherpreise steigen, beruht vor allem auf den wachsenden Kosten von Energie und Lebensmitteln.

Allerdings erhalten die Landesangestellten auch keinen wesentlichen Zuwachs über den Inflationsausgleich hinaus. Besonders die angestellten Lehrer, deren höhere Eingruppierung die Länder verweigerten, sind hier die Leidtragenden. Vor allem mit zwei Argumenten kann man die magere Steigerung rechtfertigen. Erstens ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte durch die Finanzkrise in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Da gibt es nicht viel zu verteilen, besonders nicht für Leute, die beim Staat arbeiten. Und zweitens ist es in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung schwer, Produktivitätsfortschritt zu messen. Das liegt daran, dass die staatlichen Dienstleistungen nicht als frei handelbare Produkte auf dem Markt angeboten werden. In der Privatwirtschaft ist die Steigerung der Produktivität, damit auch der Leistung der Beschäftigten, eine wesentliche Rechtfertigung für Lohnerhöhungen, die über die Inflationsrate hinausgehen. Dieses Argument fällt im öffentlichen Dienst – aus Sicht der Beschäftigten leider – weg.

Die leichte Erhöhung kann die Arbeitnehmer nicht zufriedenstellen. Haben sie doch während des ganzen vergangenen Jahrzehnts auf nennenswerte Reallohnzuwächse verzichten müssen. Jetzt wäre eigentlich mal die Gelegenheit dafür – schließlich ist Deutschland erstaunlich gut und schnell aus der Wirtschaftskrise herausgekommen. Bleibt die Hoffnung, dass andere Branchen der Privatwirtschaften höhere Lohnsteigerungen von um die drei Prozent pro Jahr vereinbaren. Dies wäre auch volkswirtschaftlich sinnvoll, um die Abhängigkeit der deutschen Ökonomie vom Weltmarkt zu verringern.