Der Trend läuft gegen den XL-Minister

Nach den Wahlniederlagen vom Wochenende ist besonders FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle angezählt. Die Liste seiner Erfolge erscheint kurz.

Nach den für die FDP verlustreichen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz steht neben Parteichef Guido Westerwelle besonders Wirtschaftsminister Rainer Brüderle unter Druck. Die Liste seiner politischen Erfolge ist kurz. Darüber können auch wohlklingende Ankündigungen und gelungene Show-Einlagen nicht hinwegtäuschen.

Im Gegensatz zu seinen Partei- und Ministerkollegen Dirk Niebel (Entwicklung) und Philipp Rösler (Gesundheit) sucht Brüderle die Öffentlichkeit und die Kameras. Nicht immer aber gelingen diese Auftritte. In der vergangenen Woche machte der Wirtschaftsminister eine denkbar schlechte Figur, als er vor Managern die Abschaltung von sieben Atomkraftwerken als kurzfristige Geste im Wahlkampf entlarvte.

Durch eine Indiskretion gelangten die Äußerungen in die Presse, verschlechterten die Lage von Schwarz-Gelb vor dem Wahlsonntag und sind nun eine Gefahr für Brüderle selbst. Als Landesvorsitzender der am Wiedereinzug in den Landtag gescheiterten pfälzischen Liberalen musste sich der Minister am Montag direkt angesprochen fühlen, als FDP-Generalsekretär Christian Lindner seiner Partei einen "offenen Diskussionsprozess über personelle und politische Konsequenzen" empfahl.

In der Bundesregierung versucht Brüderle stark zu sein, ist es aber nicht. In wichtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Themen kann er liberale Positionen kaum durchsetzen. Während er sich dagegen wandte, dass Deutschland zusätzliche Milliarden für die Stabilisierung der Euro-Zone zahlt, sagten CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel genau dies gegenüber der EU zu.

Das liberale Lieblingsprojekt einer neuerlichen Steuersenkung bringt Brüderle zwar immer wieder ins Gespräch, mehr als minimale Zugeständnisse machte die Union bislang freilich nicht. Hier weiß Schäuble viele Bürger hinter sich, die angesichts der massiven Staatsverschuldung den Sinn niedriger Steuern zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehen wollen.

Um einem Kompromiss zwischen Union und SPD, den Merkel wünschte, nicht im Wege zu stehen, stimmte Brüderle sogar der staatlichen Festsetzung eines Mindestlohns für Zeitarbeitsfirmen zu. Auch dieser Punkt widerspricht der aktuellen liberalen Programmatik und trägt dazu bei, dass Mittelständler und andere liberale Traditionswähler Zweifel am Kurs der FDP hegen.

Die Probleme in der Bundesregierung lassen sich durch gewisse Erfolge, die Brüderle durchaus auch zu verzeichnen hat, nicht ausräumen. Unlängst formulierte Brüderles Ministerium ein neues Telekommunikationsgesetz. Demnach sind die früher oft teuren Telefonwarteschleifen künftig teilweise kostenlos. Und der von Brüderle eingesetzte Kreditmediator Hans-Joachim Metternich hat hunderten Firmen geholfen, Kredite doch noch zu erhalten, die die Banken nicht gewähren wollten.

Außerdem kündigte der FDP-Minister eine groß angelegte Initiative zum Ausbau der Stromnetze an, um den erneuerbaren Energien den Weg zu ebnen. Nach der ursprünglichen Pro-Atom-Politik der FDP ist aber auch dies kein Vorhaben, mit dem die Liberalen punkten können. Selbst wenn der Wirtschaftsminister die ökonomische Erholung Deutschlands nach der Finanzkrise als „XL-Aufschwung“ für sich reklamiert, ist Brüderle in den Augen vieler Bürger und Parteimitglieder kein Aktiv-, sondern eher ein Passivposten. Der Trend läuft gegen ihn.