Wie die Bundesregierung ihr Atommoratorium durch schärfere Sicherheitschecks nachträglich legitimiert
In ihrer Atompolitik hat die schwarzgelbe Bundesregierung gegenwärtig ein dickes Problem. Als Reaktion auf die Katastrophe von Fukushima haben die Führungen von CDU, CSU und FDP in einer Hauruck-Aktion sieben alte Atomkraftwerke abschalten lassen. Dieses politische „Moratorium“ ist juristisch fragwürdig, sagen viele Experten. Mittels neuer Sicherheitsanforderungen, die Umweltminister Norbert Röttgen am Donnerstag vorstellte, und einer Novellierung des Atomgesetzes versucht die Regierung nun, rechtlich sicheren Boden zu gewinnen.
Das Moratorium der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, das Kanzlerin Angela Merkel vor knapp drei Wochen verkündete, ist ein politischer Akt ohne ausreichende Rechtsbasis. Das haben Gerichte zwar noch nicht festgestellt. Doch darauf deutet die Einschätzung vieler Juristen hin.
Unter anderem Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) argumentiert zwar mit Paragraf 19 des Atomgesetzes. Die staatliche Atomaufsicht kann demnach die Energieunternehmen anweisen, „Gefahren für Leben und Gesundheit“ zu beseitigen. Rechtfertigt dieser Paragraf aber die Abschaltung der alten AKW? In Deutschland gab es ja kein Erdbeben und auch keinen Tsunami. Möglicherweise können die Kraftwerksfirmen also Schadensersatz einklagen, was den Bund hunderte Millionen Euro kosten kann.
Mit der neuen Sicherheitsüberprüfung will Röttgen nun nachweisen, dass infolge der Fukushima-Katastrophe sich die Risiko- und Gefahreneinschätzung auch im Hinblick auf die deutschen Atomkraftwerke geändert hat. Ein Beispiel: Die Reaktorsicherheitskommission wird untersuchen, ob die AKW gegen stärkere Erdbeben, als bisher unterstellt, gewappnet sind. Zudem wollen die Wissenschaftler überprüfen, wie die Kraftwerke auf größere Hochwasser der Flüsse und stärkere Flutwellen an den Küsten reagieren.
Ein wesentliches Thema des Sicherheitschecks wird auch sein, ob die AKW Terrorangriffe mit großen Passagierflugzeugen überstehen. „Wir werden die gängigen Flugzeugtypen betrachten“, sagte Rudolf Wieland, Chef der Reaktorsicherheitskommission. Nehmen die Wissenschaftler diese Ankündigung ernst, müssten sie überprüfen, ob die Atomkraftwerke auch gezielte Attacken mit einem vollbetankten Airbus A380 verkrafteten. Bisher ist das nicht gewährleistet. Besonders die älteren Anlagen hielten Flugzeugabstürzen kaum stand. Zusätzlich würden die Folgen untersucht, falls mehrere Naturereignisse, Unglücke und Pannen zusammenträfen, sagte Röttgen.
Mit den Ergebnissen des harten Sicherheitstests kann der Minister die Schnellabschaltung der alten AKW nachträglich legitimieren. Und auch den neueren kann Röttgen das Leben schwer machen. Außerdem übt der Sicherheitscheck Druck auf die Energieunternehmen aus. Diese sind in den kommenden Monaten möglicherweise bereit, noch weitere Kraftwerke zu opfern, damit wenigstens einige weiterlaufen. Diesen neuen Konsens würden Regierung und Bundestag in eine abermalige Novellierung des Atomgesetzes gießen. Damit wären Klagen der Unternehmen die Grundlage entzogen.