Harte Arbeit gegen gutes Image

Warum man als Gesundheitsminister beim Volk keine Chancen hat, als Wirtschaftsminister aber glänzen darf

Der neue Parteichef der FDP steht zwar noch nicht fest. Doch er soll die Partei sichtbar nach außen vertreten können. Dazu gehört auch eine geeignete Position, am besten in der Bundesregierung. Einer der um diese Machtposition kämpfenden Spitzenpolitiker ist Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der auf einem entsprechenden Posten sitzt. Als Favorit für den Parteivorsitz gilt aber Gesundheitsminister Philipp Rösler.

Nur kann man nach Meinung der Experten mit dessem Amt politisch keinen Blumentopf gewinnen. „Man braucht natürlich Parteivorsitzende, die in ihren Bereichen auch Erfolg erzielen können“, sagt FDP-Präsidiumsmitglied Silvana Koch-Mehrin. Sollte sich Rösler durchsetzen, soll er sich nach Ansicht vieler Liberalen deshalb das Wirtschaftsministerium unter den Nagel reißen.

Die beiden Ressorts könnten kaum unterschiedlicher sein. Gesundheitsminister sind beim Wahlvolk selten beliebt, obwohl der Job nur mit viel Sachverstand, Standfestigkeit und Engagement erledigt werden kann. Das zählt draußen im Land aber wenig, denn die Botschaften aus diesem Ministerium sind in der Regel schlecht. Das Gesundheitssystem ist in einer alternden Gesellschaft eine Dauerbaustelle. Die zwangsläufig steigenden Kosten können nur durch Leistungskürzungen oder Kostenerhöhungen aufgefangen werden. Das kommt bei den Betroffenen, also allen gesetzlich Versicherten, nicht gut an.

Beim Wirtschaftsminister werden Standfestigkeit und Engagement dagegen sehr wohl gewürdigt. Das beste Beispiel für die Möglichkeiten im Amt lieferte Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich gleich in den ersten Wochen bar jeder Vorkenntnisse Meriten erwarb. Als ordnungspolitisches Gewissen der Nation lehnte der Baron Hilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel ebenso ab wie die Unterstützung des Kaufhaus-Konzerns Karstadt. Am Ende setzte er sich damit durch und erhielt – abgesehen vom Unmut der Betroffenen – dafür viel Beifall.

Lehnt sich dagegen der Gesundheitsminister gegen die Interessen einer Lobby auf, muss er sich warm anziehen. Ärzte oder Apotheker, Krankenkassen, Patientenverbände und erst Recht die Pharmaindustrie können rasch wirkungsvoll Widerstand leisten. Notfalls wird der Streit bis ins Wartezimmer der Arztpraxen getragen. Die Sorge der Kranken um eine gute Versorgung erzeugt stets einen großen Druck auf die Politik. Und betroffen sind jedes Mal viele Millionen Menschen. Dazu geht es um ein riesiges Geschäft mit der Gesundheit. Über 170 Milliarden Euro werden jährlich allein in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umgewälzt. Jeder gesetzliche Eingriff stößt daher auf erheblichen Widerstand.

Der amtierende Wirtschaftsminister Rainer Brüderle muss sich selten mit folgenreichen Entscheidungen herumplagen. Das Ministerium hat nicht sehr viele Zuständigkeitsbereiche. Energie ist eines der zentralen Themen, in denen der Wirtschaftsminister mitreden darf. Auch die Netzregulierung oder die Kartellbehörden unterstehen dem Haus. Ansonsten darf der Minister die Wirtschaftsprognosen der Bundesregierung vorstellen und vor allem zuversichtliche Reden schwingen. Das wird in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen.

Darüber hinaus verteilt der Wirtschaftsminister viel Geld. Gut sechs Milliarden Euro beträgt der Etat. Mit rund 1,5 Milliarden Euro davon subventioniert die Regierung die Steinkohleförderung. Über eine Milliarde steckt der Bund in den Raumfahrt. Ansonsten gibt es Hilfen für die Forschung, Elektromobilität und viele andere Branchen. Das Geben kommt gut an, auch wenn Brüderle die Kohlesubventionen im Gegensatz zur Kanzlerin schnell abbauen will. Rösler ist für deutlich höhere Beträge verantwortlich. Neben dem Einfluss auf die Ausgaben der GKV ist das Haushaltsvolumen seines Ministerium mit über 15 Milliarden Euro mehr als doppelt so groß wie Brüderles Etat. Trotzdem hat jeder den Eindruck, es gäbe hier nichts zu verteilen.

Besonders deutlich wird der Imageunterschied zwischen beiden Ministerien in den Themen, mit denen die Amtsführer in den Medien landen. Brüderle spricht gerne über Zukunftschancen und Technologien, Wachstum und mehr Beschäftigung. Rösler muss den Pflegenotstand anprangern, die Ärzte zur Räson rufen und Zusatzbeiträge verteidigen.