Bundesbeauftragter wirft der Koalition Ankündigungspolitik vor / Immer mehr Bürger beschweren sich
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar wirft der Bundesregierung einee zu zögerliche Haltung beim Schutz der Persönlichkeit vor. „Es wurde viel angekündigt, wenig auf den Weg gebracht und nichts umgesetzt“, sagte Schaar bei der Vorlage seines Jahresberichts. Als Beispiel nannte er den Datenschutz im Internet. Das Bundesinnenministerium hatte eine Gesetzesinitiative angekündigt, mit der eine „rote Linie“ bei der Sammlung persönlicher Informationen im Netz gezogen werden sollte. Bis heute liegt nicht einmal ein Entwurf dafür vor. „Mir ist nicht deutlich geworden, ob die Bundesregierung das Vorhaben überhaupt noch verfolgt“, kritisierte Schaa
Auch beim Arbeitnehmerdatenschutz ist der Kontrolleur des Bundes unzufrieden und nannte vor allem die Regelung zur Videoüberwachung. Verdeckte Aufnahmen wurden demnach zwar eingeschränkt, doch offen dürfen Firmen ihren Angestellten jetzt leichter auf die Finger schauen. Als Begründung für eine Überwachung reicht Schaar zufolge der Verweis auf eine Qualitätssicherung als Grund. Da damit auch die Arbeit des Mitarbeiters selbst gemeint sein kann, sieht der Beauftragte die Türen für eine weitgehende Kontrolle im Betrieb weit offen.
In den letzten beiden Jahren hatte die Behörde viel zu tun. Datenskandale häuften sich. Besonders medienwirksam waren die Vorgänge bei der Deutschen Telekom und der Deutschen Bahn, die Mitarbeiter bespitzeln ließ. 20 der insgesamt 30 Beanstandungen, die der Datenschutzbeauftragte aussprach, richteten sich allein gegen die Bahn. Der Konzern habe darauf reagiert und alle Missstände abgestellt, teilte Schaar nun mit.
Die Bürger reagieren immer sensibler, wenn andere mit ihren persönlichen Daten umgehen. Vor allem wenn die Informationen ohne Kenntnis der Betroffenen gesammelt werden. Schaar sieht dabei auch den Staat am Pranger, wenn öffentliche Stellen zum Beispiel Kommunikationsdaten der Bürger auf Vorrat speichern und dies mit der Terrorabwehr begründen.
Der Beauftragte registriert immer mehr Beschwerden gegen die Sammelwut. Die Zahl der schriftlichen Eingaben vervierfachte sich im vergangenen Jahrzehnt. Gut 11.000 Beschwerden gingen in den beiden letzten Jahren ein. 14.000 Anrufer meldeten sich beim Beauftragten. Das entspricht einer Steigerung um fast die Hälfte gegenüber dem Zweijahreszeitraum zuvor. Den meisten Ärger lösten die Geschäftspraktiken der Telekommunikationsanbieter aus. „Das ist geradezu explodiert“, bemerkte Schaar. Aber auch die Jobcenter gaben häufig Anlass zum Protest.
An Arbeit mangelt es Schaar nicht. Kritisch sieht der Beauftragte zum Beispiel die staatlichen Kontenabfragen, mit der zum Beispiel Sozialbetrüger oder Steuerhinterzieher aufgespürt werden sollen. Hier würden sich Behörden rechtlich fragwürdig auch bei der privaten Detektei Schufa mit Informationen versorgen. Verärgert ist der Experte auch über den Softwareriesen Microsoft, der kein vorbauendes Widerspruchsrecht beim seinem Straßenansichtsdienst Street Side vorsieht, wie es Konkurrent Google nach vielen Protesten tat. „Wir werden dagegen vorgehen“, kündigte Schaar an.
Auf der Wunschliste des Datenschutzbeauftragten steht auch mehr Unabhängigkeit von der Politik. Die Aufsicht durch die Bundesregierung sei mit der vom Europäischen Gerichtshof geforderten Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren. Auch Deutschland kommen Schaar zufolge Millionenstrafen durch die EU zu, weil diese Vorgabe nicht zeitgerecht umgesetzt wurde.