An der FDP scheitere die Stabilisierung Griechenlands und des Euros nicht, sagt Finanzpolitiker Volker Wissing anlässlich des Parteitages in Rostock. Im Inland müsse liberale Politik „Mehrwert für jeden, nicht nur für einige bringen“
Hannes Koch: Beim Parteitag in Rostock versucht die FDP den Neustart. Welches Signal ist Ihnen wichtiger: Milliarden Euro für eine Steuersenkung oder Milliarden für die Stabilisierung Griechenlands?
Volker Wissing: Diese Alternative existiert nicht. Der Euro und die Eurozone müssen stabil bleiben. Dabei ist die Bundesregierung ja bisher auch erfolgreich gewesen. Gleichzeitig wollen wir unseren Auftrag umsetzen, die unteren und mittleren Einkommen gerechter zu besteuern. In den kommenden Monaten werden wir daran arbeiten.
Koch: Würden Sie ein weiteres Hilfspaket für Griechenland im Bundestag unterstützen, wenn damit neue Milliardenzahlungen auf Deutschland zukämen?
Wissing: Die FDP steht zur gemeinsamen europäischen Währung. Wir sehen, dass Griechenland in einer schwierigen Lage steckt, und deshalb werden wir eine tragfähige Lösung finden. Hilfe bedeutet aber immer auch Hilfe zur Selbsthilfe. Länder, die wir unterstützen, müssen einen starken eigenen Beitrag leisten.
Koch: Angela Merkels Kanzlermehrheit im Bundestag für die Euro-Rettung ist durch die FDP nicht in Gefahr?
Wissing: Nein. Auch hier beim Parteitag kämpfe ich dafür, dass wir die Politik der Bundesregierung für den Euro unterstützen. Gleichzeitig darf der Bundestag aber nicht auf seine Budgethoheit verzichten. Blankochecks für Milliardenhilfen stellen wir nicht aus.
Koch: In einer neuen Umfrage des Instituts Forsa für die Zeitung „Freitag“ bemängeln 70 Prozent der Befragten, dass zuviel deutsches Geld nach Europa fließe. Besonders Anhänger der FDP sehen das so. Warum?
Wissing: Traditionell stehen Liberale der überbordenden Macht eines zentralen Staates kritisch gegenüber. Deshalb kontrollieren wir die Staatsausgaben mit strengem Blick – nicht nur in Deutschland, auch in Europa. Dabei ist aber immer klar, dass die FDP eine Europa-Partei ist.
Koch: Sehen Sie die Gefahr, dass der Euro-Skeptizismus vieler FDP-Anhänger in rechtspopulistisches Gedankengut abgleitet?
Wissing: Ich verwahre mich gegen Diffamierungen. Es handelt sich nicht um Euro-Skeptizimus, sondern um einen kritischen Blick. Den Nutzen Europas für die Bürger stellt die FDP in keiner Weise in Frage.
Koch: Der neue FDP-Vorsitzende Philipp Rösler leitet eine Neuorientierung und die Abkehr vom Dogma der Steuersenkung ein. Hat die Partei in der Vergangenheit zu sehr auf dieses Pferd gesetzt?
Wissing: Wir sind keine Dogmatiker. Ich spreche deshalb lieber von Re-Orientierung. Für eine liberale Partei ist die Steuerbelastung der Bürger jedoch immer eine zentrale Frage. Liberalismus bedeutet ja, dass wir konsequent für die Stärkung des Individuums kämpfen. Starke Bürger bilden einen starken Staat. Ein zu mächtiger Staat hingegen nimmt den Bürgern ihre Selbstbestimmung.
Koch: Generalsekretär Christian Lindner will die frühere Fokussierung auf das Steuer-Thema durch seinen Slogan des „mitfühlenden Liberalismus“ ausbalancieren. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie Sie diesen neuen Begriff mit Leben füllen?
Wissing: Unsere Gesellschaft soll Mehrwert für jeden bringen, nicht nur für einige. Deswegen arbeiten wir daran, das Bildungssystem durchlässiger zu machen. Beispielsweise die Kinder von Einwanderern müssen dieselben Aufstiegschancen haben wie alle anderen. Das ist keine ganz neue Botschaft, aber bislang ist sie zu wenig zum Ausdruck gekommen.
Koch: Halten Sie es für sinnvoll, beim Parteitag noch einmal eine Debatte über Außenminister Guido Westerwelle zu führen?
Wissing: Der Parteitag ist souverän. Aber jeder muss selbst wissen, welches Thema er aufgreift. Ich glaube, die Mehrheit möchte die Personaldebatte beenden und sie nicht in den kommenden Wochen weiterführen.
Bio-Kasten
Volker Wissing
Der 41jährige FDP-Politiker Volker Wissing leitet den Finanzausschuss des Bundestages. Der Jurist kommt aus Landau in der Pfalz. Nebenbei ist er Organist und Kirchenmusiker.