Faule Versprechen: Etiketten werben mit Früchten, die gar nicht in der Verpackung stecken
Lebensmittelproduzenten sparen immer häufiger an den Zutaten, ohne dass Konsumenten es merken. Zuletzt ärgerten sich Verbraucherschützer über Schokoladenkekse die ohne echte Schokolade auskommen oder über Garnelen, die lediglich aus gepresstem Fischeiweis bestehen. Jetzt haben sie ähnliche Mogeleien bei Früchten aufgedeckt. Da werden aus Äpfeln Himbeeren gemacht und wie beim Formfleisch ganze Früchte aus Obstbrei zusammengefügt.
Mit Fruchtabbildungen auf Verpackungen wird oft geschummelt, lautet das Fazit der Verbraucherzentrale Hamburg, die den Betrug in einer Untersuchung aufgedeckt hat. Die Etiketten zeigen andere Früchte als die Zutatenlisten. Zum einen fanden die Verbraucherschützer ein Schoko-Kirsch-Müsli, in dem mehr getrocknete kostengünstige Cranberries stecken als Kirschen. Zum anderen fielen ihnen „umgefruchtete“ Früchte auf.
Umfruchten ist nichts anderes als ein gelungenes Täuschungsmanöver. So wird aus Billigbeeren teures Obst. „Apfelstückchen lassen sich mit Himbeersaft einfärben und aromatisieren“, sagt Armin Valet, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale der Hansestadt. Da steckten dann im Müsli anstelle der auf der Verpackung umworbenen Himbeeren mit Himbeersaft gefärbte Apfelstücke. Auch aus Cranberries, also den roten säuerlich schmeckenden Moosbeeren, lassen sich edlere Früchte wie etwa Kirschen oder Erdbeeren machen – mithilfe von preiswerten Aromastoffen. Ein lukratives Geschäft für die Hersteller: Kirschen beispielsweise sind im Einkauf mehr als doppelt so teuer wie Cranberries.
Rein gesundheitlich ist an Cranberries oder Äpfeln freilich nichts auszusetzen. Sie enthalten Vitamine und es spricht nichts dagegen, sie zu verzehren. Doch zum Umfruchten verwendet die Lebensmittelindustrie meist natürliche Aromen. Und die kommen in der Regel nicht aus Früchten. „Wichtige Aromastoffe für ein „natürliches Himbeeraroma“ kann man zum Beispiel aus Zedernholz gewinnen“, erläutert Verbraucherschützer Valet. Selbst Pilzkulturen hielten für die Produktion von „natürlichen Aromen“ her.
Zwar gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Aromastoffe, die hierzulande in Lebensmitteln stecken, schädlich sind. Doch ihr Einsatz, so Valet, führt dazu, dass die Lebensmittel überaromatisiert werden und Verbraucher dazu anregen, mehr zu essen. „Außerdem lehnen Kinder heute häufig natürliche Früchte ab, weil sie ihnen nicht schmeckten“, erläutert der Experte eine weitere Nebenwirkung der Technologie.
Ähnlich wie beim Klebefleisch bauen die Lebensmittelmacher selbst ganze Früchte nach – aus Obstbrei. Die so genannten Formfrüchte fielen der Verbraucherzentrale Hamburg in einem Snack, der mit „100 % Frucht Erdbeere Softe Stückchen“ wirbt, auf. Aus Apfelsaft, Apfel- und Erdbeermus fügt der Hersteller die roten Sommerfrüchte zusammen, gaukelt dem Konsumenten auf dem Etikett aber echte Erdbeeren vor. Eine Täuschung, die es in den Augen der Hamburger Verbraucherzentrale so nicht geben darf.
„Zutaten, die auf der Abbildung zu sehen sind, müssen im Produkt auch drin sein“, fordert Ernährungsexperte Valet. Prangten auf der Verpackung saftige Himbeeren, müssten die im Müsli drin stecken – und nicht nur Himbeersaft. Enthalte ein Kirsch-Müsli mehr Cranberries als Kirschen, sollte das für Verbraucher deutlich erkennbar sein. Schließlich könne man von Konsumenten nicht erwarten, dass sie beim Einkauf erst einmal drei Minuten lang das Etikett nebst Zutatenliste studieren. „Wichtige Dinge müssen auf den ersten Blick klar sein“, so Valet.
In zwei Listen nennt die Verbraucherzentrale Hamburg die Plagiatoren. Im Internet unter www.vzhh.de sind sie zu finden.