Aroma: Natürlich ist nicht gleich natürlich

Prangt auf dem Erdbeerjoghurt „natürliches Aroma“, heißt das noch lange nicht, dass der süßlich beerige Geschmack von den roten Früchten kommt. „Natürlich“ heißt auf Lebensmitteletiketten lediglich, dass bei der Aromaherstellung Rohstoffe zum Einsatz kommen, die in der Natur vorhanden sind. Und das können Pflanzen, Tiere oder gar Mikroorganismen sein.  

Eins vorab: Ein Aroma besteht in der Regel aus einer Kombination verschiedener Einzelstoffe. 2.600 davon, das schätzt der Lebensmittelchemiker und Buchautor Udo Pollmer, stehen der Lebensmittelwirtschaft zur Verfügung. Bei der Produktion von natürlichen Aromastoffen kommen im Gegensatz zu naturidentischen und künstlichen Aromastoffen ausschließlich physikalische Verfahren zum Einsatz. Es heißt also extrahieren  oder destillieren, anstatt die chemischen Verbindungen künstlich im Labor aufzubauen.

Hölzer, Zellkulturen, Schimmelpilze oder zum Beispiel Bakterien halten für die Herstellung von natürlichen Aromen her. Welche Stoffe der Johannisbeerbrause den letzten Schliff verleihen, verraten die Lebensmittelmacher ungern. „Die Rezepte sind ein Betriebsgeheimnis“, sagt Ulrich Arzberger vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart. Buchautor Pollmer kennt die skurrilen Mixturen. In seinem Buch „Food-Design: Panschen erlaubt“ gibt er einige davon preis: Für „natürlichen“ Apfelgeschmack bietet sich eine Mixtur aus Weinfuselöl und Hefeöl-Destillat unter Zusatz von biotechnologisch erzeugten Ethylacetat an, schreibt er. Hinzu kommen noch ein paar Tropfen Tagetesöl. Und für „Himbeere“ eignet sich Zedernholzöl. Nimmt man die Sägespäne des Baumes und destilliert sie, kommt ein typischer Himbeerduft heraus.

Freilich lässt sich der Geschmack auch aus Obst gewinnen. „Natürliches Erdbeeraroma“ steht in dem Fall auf dem Produkt. Mindestens 95 Prozent des Aromas kommen dann aus der namensgebenden Quelle. Ziert allein das Wörtchen „Aroma“ die Schachtel, ist das ein Indiz dafür, dass naturidentische oder künstliche Aromastoffe im Essen stecken. Beides wird mithilfe chemischer Verfahren im Labor hergestellt.

Naturidentische Aromastoffe haben, wie der Name schon sagt, ein entsprechendes Vorbild in der Natur. „Die Chemiker schauen sich Aromen bei der Natur ab und bauen sie im Labor nach“, erklärt Lebensmittelchemiker Arzberger die Produktion vereinfacht. „Naturidentisches Vanillin wird zum Beispiel synthetisch aus Eugenol, also Gewürznelkenöl, gewonnen“, sagt Christiane Manthey, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Es könne aber auch biotechnologisch hergestellt werden. Die richtige Vanilleschote kommt hier also nicht zum Einsatz.

Etwas anders sieht es bei den künstlichen Aromastoffen aus. Sie haben kein Vorbild in der Natur. In der Praxis spielen sie aber kaum noch eine Rolle. „Lediglich Ethylvanillin, das etwas intensiver und bitterer nach Vanille riecht als das natürlich vorkommende
Vanillin, wird in einigen Lebensmitteln eingesetzt“, so Arzberger.

Ob die geschmacksgebenden Zusätze schädlich sind, lässt sich nur schwer beantworten. „Die allermeisten Aromastoffe sind gesundheitlich völlig unbedenklich“, sagt Chemiker Arzberger. Für manche pflanzlichen Lebensmittel, wie etwa Zimt, wurden allerdings  Höchstmengen festgelegt, die nicht überschritten werden dürften. Viele Ärzte und Ernährungswissenschaftler stehen dem Einsatz von Aromen kritisch gegenüber: Sie sagen, die Stoffe könnten zum Übergewicht beitragen, weil sie Konsumenten  dazu anregen, mehr zu essen.

Ein Wermutstropfen bleibt: Mit dem Oberbegriff „Aroma“ können die Lebensmittelproduzenten auch natürliche Aromastoffe betiteln. Doch weil das Wörtchen „natürlich“ als Verkaufsargument  zieht, dürften die meisten Hersteller großen Wert darauf legen, das auch gesondert auf der Verpackung auszuloben.

Lesetipp: Lektüre erklärt Zusatzstoffe

Zusatzstoffe sind buchstäblich in unser aller Munde. Einschlägige Fachbücher listen über 7500 Präparate und Zusätze auf. Wozu diese ungeheure Vielfalt von Emulgatoren und Stabilisatoren, von Hydrocolloiden, Schmelzsalzen, Geschmacksverstärkern und Aromatisierungshilfen? Die Industrie kommt ohne die heimlichen Helfer kaum noch aus, doch in den Zutatenlisten fehlen diese oft. In ihrem Buch „Food-Design. Panschen erlaubt: Wie unsere Nahrung ihre Unschuld verliert“ erzählen Lebensmittelchemiker Udo Pollmer und Biologin Monika Niehaus die Geschichte der Nahrungszusätze. Die Lektüre ist nicht nur spannend, sondern auch sehr informativ. Das Buch ist 2010 in 3. Auflage im Hirzel-Verlag erschienen, hat 247 Seiten und kostet 22 Euro.

Gesundheitstipp: Cappuccino – Nicht immer leichter Genuss

Auf Werbesprüche wie „ungesüßt“ oder „weniger süß“ sollten Cappucchino-Liebhaber nicht blind vertrauen. Darauf, dass kein oder weniger Zucker im Getränkepulver steckt, ist kein Verlass. „Zum Teil enthalten die Produkte bis zu 40 Prozent davon, weil die Hersteller Glucosesirup oder Süßmolkenpulver, das Laktose, also Milchzucker, konzentriert enthält, verwenden“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.  Gerade mahnen die Verbraucherschützer einige Cappuccinopulver-Produzenten.