Politiker und Ökonomen fordern eine unabhängige europäische Rating-Agentur
Wenn die so genannten Rating-Agenturen ihre Daumen senken, müssen sich Regierungen ernsthafte Sorgen machen. So wie in Griechenland: Gerade hat die Agentur Standard & Poor´s ihre Bewertung griechischer Staatsanleihen fast auf Bankrott-Niveau reduziert. Politiker und Ökonomen reagieren darauf zunehmend kritisch: Eine neue europäische Agentur solle ein Gegengewicht setzen, fordert unter anderem FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing.
Die Agentur Standard & Poor´s hat am Montag Abend ihr Rating für griechische Staatsanleihen auf „CCC“ gesenkt. Die Experten glauben, dass der Euro-Staat am Mittelmeer nur noch ein Drittel bis zur Hälfte seiner Schulden zurückzahlt. Vermutlich müssten auch private Banken, auf etwa die Hälfte des Geldes verzichten, das sie in griechische Staatsanleihen investiert haben.
Mit ihrer Bewertung warnen die Agenturen die Investoren vor schlechten Schuldnern. So liefern sie den Kapitalmärkten einerseits wichtige Informationen. Andererseits sind die Ratings der Agenturen heftig umstritten, stellen sie doch auch nur subjektive Bewertungen durch Analysten dar.
Im Zuge der Griechenlandkrise zeigte sich außerdem, dass die Ratings wie „sich selbst erfüllende Prophezeiungen“ wirkten. Senkte eine Agentur ihre Bewertung, musste Griechenland den Investoren höhere Zinsen bieten, was die Chance verringerte, die Schulden zurückzahlen. Daraufhin wurden die Ratings abermals reduziert.
Das Problem für die Staaten: Die schlechten Noten der Agenturen können zu enormen Kosten führen. So wird die Euro-Zone ihrem 110-Milliarden-Rettungspaket wohl weitere Griechenland-Hilfe folgen lassen. Dafür haften auch die deutschen Steuerzahler.
Unter anderem vor diesem Hintergrund wird seit Jahren darüber diskutiert, den Einfluss der Rating-Agenturen einzudämmen. Bisher beherrschen die drei Firmen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch den Bewertungsmarkt. Die ersten beiden sitzen in New York, Fitch in London. Daneben „brauchen wir eine unabhängige europäische Rating-Agentur, zum Beispiel in Form einer Stiftung“, sagt FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing gegenüber dieser Zeitung.
Mit dieser Ansicht steht Wissing nicht alleine. Ökonom Michael Hüther, der Chef des Instituts der Wirtschaft in Köln, teilt sie ebenso wie Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Das EU-Parlament hat die EU-Kommission beauftragt, eine solche Lösung zu prüfen. Und selbst im Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP aus dem Jahr 2009 findet sich die Forderung nach einer europäischen Agentur.
Was aber würde sich durch die Existenz einer europäischen Bewertungsfirma ändern? „Grundsätzlich gäbe es mehr Wettbewerb“, begründet IW-Chef Hüther. Notenbanken und Investoren könnten sich auf eine weitere relevante Meinung stützen und wären nicht nur auf die Ratings der drei beherrschenden Agenturen angewiesen. Die Bremer Ökonomie-Professorin Mechthild Schrooten erklärt die Folgen im Falle Griechenlands: „Weil die Euro-Zone die griechischen Papiere garantiert, könnte man deshalb auch ein A-Rating für gerechtfertigt halten“, so Schrooten. Athen wäre – anders als S & P es sieht – noch lange nicht bankrott.
Währenddessen versucht die Bundesbank bereits, sich vom Urteil der drei beherrschenden angelsächsischen Agenturen etwas unabhängiger zu machen. Während diese dem verschuldeten Irland die schlechtere B-Note geben, stützt sich die Bundesbank auf die kanadische Bewertungsfirma DBRS, die Irland immer noch mit „A“ ratet.
Bleibt die Frage, warum es die von allen gewünschte Europa-Agentur bisher nicht gibt. Das liegt nicht zuletzt am Geld. Denn billig dürfte es nicht werden, mehrere hundert Experten einzustellen und über Jahre zu finanzieren.