Bewegungsmangel macht aus unseren Kindern ungeschickte Couchkartoffeln. Das sagt Klaus Rodens, Landesvorsitzender des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Im Interview fordert der Mediziner mehr Engagement für unseren Nachwuchs.
Mandy Kunstmann: Herr Rodens, selbst angehende Sportstudenten haben heute Probleme mit einer einfachen Rolle vorwärts. Wie erklären sie das?
Klaus Rodens: Das hat etwas mit der Bewegungsbiografie der jungen Männer und Frauen zu tun. Sie wurden in ihrem Leben mit viel weniger Bewegung konfrontiert als junge Leute Jahrzehnte zuvor. Sie sind Kinder unserer Medienkonsumgesellschaft.
Kunstmann: Sind die Eltern schuld daran, dass der Nachwuchs zu fernsehglotzenden Couchkartoffeln verkommt?
Rodens: Die häusliche Situation spielt eine große Rolle. Das Gewicht hat auch immer etwas mit Schichtzugehörigkeit zu tun. Übergewichtige Kinder findet man häufiger in Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind. Aber auch Kinder von Doppelverdienern sind gefährdet. Viele Eltern können heute gar nicht mehr die Zeit aufbringen, um mit dem Sohn auf den Bolzplatz zu gehen oder für die Familie gesund zu kochen.
Kunstmann: Sind unsere Kinder heute anfälliger für Unfälle, weil sie nicht fit sind?
Rodens: Die Zahl der Unfälle im Haus und in der Freizeit scheint tatsächlich zuzunehmen. Hier sprechen wir aber von kleineren Unfällen. Untersuchungen zeigen, dass eine zunehmende Gewichtsentwicklung mit verminderter Geschicklichkeit einhergeht. Zudem benutzen die Kinder heute gefährlichere Fortbewegungsmittel. Sie fahren Skate statt Rollschuh. Viele Eltern unterschätzen zudem die Gefahren.
Kunstmann: Was muss sich ändern, damit unsere Kinder wieder fit werden?
Rodens: Wir brauchen Bewegungsförderung von Anfang an und überall – zuhause, im Kindergarten und in der Schule. Kitas müssen beispielsweise in die Lage versetzt werden, Kinder kontrolliert in ihrer Bewegung zu fördern. Auch in der Schule muss es mehr Sport geben. Und ebenso sollte der Umgang mit Lebensmitteln schon in der Kita auf der Tagesordnung stehen. Prävention ist ganz wichtig. Einige Krankenkassen haben das erkannt, manche noch nicht. Sie zahlen für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, die auch die Psyche der Kinder und soziale Faktoren im Blick haben.
Bio-Box: Dr. Klaus Rodens (Jahrgang 1957) ist Kinder- und Jugendarzt. Der Vater von drei Kindern ist Landesvorsitzender des baden-württembergischen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Mit einem Kollegen betreibt er eine Gemeinschaftspraxis in Langenau.