Der Bahnchef wird zum Flugchef

Hartmut Mehdorn rückt übergangsweise an die Spitze von Air Berlin. Die Fluggesellschaft steckt tief in den roten Zahlen und dünnt das Liniennetz aus

Mit einem Paukenschlag endete die eigentlich unspektakuläre Präsentation einer ungewöhnlich schlechten Halbjahresbilanz beim Ferienflieger Air Berlin. Jochen Hunold, Gründer und bisheriger Vorstandsvorsitzender der zweitgrößten Liniengesellschaft Deutschlands, stellte seinen Posten zur Verfügung. Bis sich ein neuer Pilot ins Cockpit setzt, wird ein alter Bekannter die Geschicke der momentan erfolglosen Airline lenken. Aus dem Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn wird nun ein Flugchef. Die entscheidenden Gremien haben dieser Lösung bereits zugestimmt. Ein Führungswechsel könne das eingeleitete Sparporgramm nur beschleunigen, sagte der scheidende Manager.

Mit Mehdorn rückt ein erfahrener Sanierer an die Spitze der Airline. Zuletzt hatte er diese Fähigkeit bei der Deutschen Bahn zeigen können. Innerhalb von zehn Jahren verwandelte er den einst verlustreichen Staatskonzern in ein profitables Unternehmen. Viele Freunde hat sich Mehdorn dabei nicht gemacht. Zugverbindungen wurden gestrichen, an der Wartung gespart und Kritiker abgebügelt, selbst wenn skeptische Fragen aus dem Kreis der Eigentümer kamen. Durch pampige Worte verdarb sich der Vorstand mit dem Parlament, das er für den geplanten Börsengang der Bahn eigentlich hinter sich wissen musste. Die Finanzkrise setzte 2008 schließlich den Aktienpläne ein Ende. Der Datenskandal um überwachte Mitarbeiter kostete schließlich auch Mehdorn den Job. Zuvor hatte Mehdorn schon das Unternehmen Heidelberger Drcuk an die Börse gebracht. Ursprünglich beheimatet ist der studierte Maschinenbauer allerdings in der Luftfahrt, bei Airbus in Hamburg. Mir Air Berlin ist der gebürtige Berlin schon länger verbunden. Er sitzt im so genannten Board of Directors, einer Art Aufsichtsgremium nach englischen Recht.

Air Berlin hat die Hilfe eines harten Sanierers offenkundig dringend nötig. Die neue Luftverkehrssteuer sowie die Unruhen in Nordafrika sowie steigende Kerosinpreise haben dem Unternehmen die Bilanz mächtig verhagelt. Allein im zweiten Quartal 2011 flogen die Maschinen ein Minus von gut 32 Millionen Euro ein. Nun müssen sich die 8.900 Beschäftigten, Kunden und Flughäfen wohl auf harte Einschnitte einstellen. Von 170 Flugzeugen werden acht abgeschafft, unrentable Strecken gestrichen und einige Regionalflughäfen künftig links liegen gelassen. Dieses Konzept kommt Bahnkunden vermutlich bekannt vor. „Um profitabel zu werden, müssen wir Einschnitte in unser Streckennetz und in unserer Flotte vornehmen“, verteidigt Hunold den Aderlaß.

Für einige Regionalflughäfen wird der Rückzug Air Berlins einen schweren Schlag darstellen. Dresden und Basel verlieren die Anbindung an Mallorca, Paderborn, Hannover und Münster die Flüge nach England. Aus Erfurt zieht sich das Unternehmen ganz zurück. Auch die für Geschäftsleute wichtige Verbindung zwischen Hamburg und Frankfurt wird es künftig nicht mehr geben. Hunold gibt der Politik die Schuld an dieser Entwicklung. Die Regionalflughäfen seien ein Opfer der zu Jahresbeginn eingeführte Luftverkehrssteuer, kritisiert der Manager. 45 Millionen Euro kostete die Abgabe allein im zweiten Quartal. Auf die Preise konnte Air Berlin die Zusatzkosten wegen des harten Wettbewerbs nicht.

Mit dem Rückzug Hunolds endet wohl auch eine außergewöhnliche Unternehmerkarriere. 1991 legte der 61-jährige mit zwei Maschinen den Grundstein für Air Berlin. Heute hat das Unternehmen nur noch den Branchenprimus Lufthansa vor sich.