Kurz vor der roten Linie

Die Kritiker der Euro-Rettung in FDP und Union werden Merkels Plänen wieder einmal zustimmen. Manche aber zum letzten Mal.

Als „Wahl zwischen Pest und Cholera“ bezeichnet FDP-Politiker Oliver Luksic das, was sich ab dieser Woche im Berliner Bundestagsviertel abspielen wird. „Ich sehe das kritisch“, sagt der Abgeordnete aus dem Saarland.

Luksic und seine 619 Kollegen müssen in den kommenden Wochen entscheiden, ob die Kompetenzen des europäischen Rettungsfonds zur Stabilisierung verschuldeter Euro-Staaten ausgedehnt werden. Denn unter dem Druck der Schuldenkrise haben die Euro-Regierungen Ende Juli beschlossen, dass der Fonds künftig griechische, portugiesische oder italienische Staatsanleihen ankaufen darf. Mehr und mehr übernehmen stabile Staaten wie Deutschland das finanzielle Risiko der ärmeren Euro-Mitglieder.

Damit geht es nach der Sommerpause genauso weiter wie vor den Parlamentsferien – in großer Aufregung. Für kommenden Dienstag (23.8.) hat die Union eine Sondersitzung zur Eurokrise anberaumt. Die FDP folgt mit einer Klausurtagung. Die entscheidende Frage lautet in beiden Fällen: Hat Kanzlerin Angela Merkel im Bemühen, die Eurozone zu stabilisieren, deutsche Interessen über Gebühr preisgegeben?

Anleihekäufe durch den Rettungsfonds (EFSF) sind für FDP-Parlamentarier Luksic „ordnungspolitisch nicht sauber“. Trotzdem will er dem Vorschlag der Regierung zur Ausweitung des EFSF mit schwerem Herzen zustimmen. Luksic sieht keine Alternative dazu, überschuldeten Staaten wir Griechenland weiterhin Geld zur Verfügung zu stellen und den Bruch der Euro-Zone zu verhindern. „Das ist ein notwendiger Kompromiss“, so Luksic.

Sein FDP-Kollege Heinz-Peter Haustein aus Sachsen geht weiter. Er sagt, er wolle gegen die Ausweitung des Fonds ankämpfen. „Die Anleihekäufe lösen das griechische Schuldenproblem nicht, sondern schieben es nur hinaus,“ so Haustein. Aber schließlich, wenn es gar mehr anders geht, ist auch er bereit, die Bundesregierung zu unterstützen. „Ich will die Koalition nicht zu Fall bringen“, sagt Haustein.

Ähnlich sehen das auch andere Abgeordnete der FDP. Zu den Kritikern gehören Frank Schäffler aus Ostwestfalen-Lippe, Joachim Günther (Sachsen) und Sylvia Canel (Hamburg). Die meisten werden der EFSF-Erweiterung in den kommenden Wochen wohl zustimmen – mit starken Bauchschmerzen.

Klar ist für einige aber auch, dass sie vor „einer roten Linie“ stehen, wie Oliver Luksic sagt. Diese heißt „Eurobonds“. Europäische Staatsanleihen zur gemeinsamen Verschuldung der Eurozone lehnt Luksic kategorisch ab. Der Grund: Damit würde Deutschland quasi bedingungslose Hilfe für verantwortungslose Schuldnerstaaten zahlen. „Dann sollte sich die FDP ernsthaft überlegen, ob die Koalition noch eine Zukunft haben kann“, so Luksic.

In der Union kündigt Kritikerin Veronika Bellmann aus dem Wahlkreis Mittelsachsen an, sich bei der Abstimmung über die Erweiterung des EFSF enthalten zu wollen. Zu einem Ja unter Druck will sie sich nicht durchringen, weil „ich die ständige Ausweitung der Aufgaben des Fonds für fragwürdig halte“.

Ihr sächsischer CDU-Kollege Manfred Kolbe bemängelt, dass die Beschlüsse wieder einmal unter Zeitmangel „durchgepeitscht“ würden. Um die Probleme in Ruhe zu besprechen, verlangt er stattdessen einen Sonderparteitag der Union. Kolbe kann sich an diesem Punkt der Unterstützung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sicher sein, der den engen Zeitplan bis zur abschließenden Lesung des Gesetzes am 23. September in Frage stellt.

Trotz allen Unwohlseins dürfte die eigene Mehrheit der Regierungskoalition aber auch von Seiten der Union nicht in Gefahr sein. Dafür, dass dies einstweilen so bleibt, sorgen Abgeordnete wie Norbert Barthle. Der einflussreiche CDU-Haushaltsexperte lässt die Regierung nicht hängen und vermittelt in beide Richtungen. Er sagt: „Man kann die Ausweitung des EFSF kritisch betrachten, im Vergleich zu den jüngsten Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank ist sie aber immer noch die bessere Variante.“