Hersteller, Großhandel und Apotheken bauen gemeinsames Sicherheitssystem auf
Pharmaindustrie, Großhändler und Apotheker bauen ein gemeinsames Sicherheitssystem für Medikamente auf. Die Branche will damit dauerhaft verhindern, dass gefälschte Präparate oder Verpackungen in den legalen Vertrieb gelangen. „Auch in Deutschland sind Arzneimittelfälschungen ein großes Problem“, sagt der künftige Chef der von den jeweiligen Fachverbänden aus Industrie und Handel gegründeten Firma Securpharm, Reinhard Hoferichter. In großen Teilen der Welt werde die öffentliche Gesundheit durch nachgemachte Produkte gefährdet.
Das Modell, mit dem die Pharmazeuten eine europäische Richtlinie umsetzen wollen, ist den meisten Verbrauchern schon bekannt. Statt des bisherigen Strichcodes auf der Verpackung wird es künftig den Aufdruck eines so genannten DataMatrix-Codes geben. Bahnfahrer oder Flugpassagiere kennen dieses Sicherheitskennzeichnung von Tickets, die im Internet gelöst werden. Es handelt sich um schwarzweiße, anscheinend sinnlose Zeichen, die sich zu einem Bild formen.
Der Code beinhaltet die wichtigsten Merkmale des Medikaments, zum Beispiel die Chargennummer, das Verfallsdatum, vor allem aber die Seriennummer. Hinter den Kulissen errichten die Beteiligten ein computergestütztes Kontrollsystem. Bevor der Apotheker dem Patienten rezeptpflichtige Pillen oder Pasten ausreicht, scannt er den Code im Kassencomputer ein. Automatisch wird dann beim Hersteller angefragt, ob die Seriennummer des Präparats dort bekannt ist. Kurz darauf leuchtet entweder ein grünes oder ein rotes Lämpchen auf. Bei freier Fahrt händigt der Apotheker das Medikament aus und die Seriennummer wird beim Produzenten gestrichen. Heißt es Stopp, überprüfen die Beteiligten die Herkunft der Lieferung.
Zudem gestalten die Pharmaunternehmen die Verpackung so, dass jede Manipulation daran auffällt. Trotz des beträchtlichen Datenaustauschs bleiben persönliche oder betriebliche Informationen geschützt. „Die Industrie wird keinen Zugang zu Patientendaten bekommen und die Apotheken keinen zu Daten der Industrie“, versichert Hoferichter. In zwei Jahren will die Branche das System in Pilotversuchen testen. Dann will auch die EU ihre technischen Vorgaben präzisieren. 2016 rechnen die Verbände mit einer flächendeckende Einführung des Systems.
Arzneimittelfälschungen sind weltweit ein zunehmendes Problem. In Deutschland sind vor allem die illegalen Vertriebswege davon betroffen. Kunden von unerlaubten Versandhändlern im Internet erhalten nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation bei jeder zweiten Bestellung nachgeahmte Produkte. Die Folgen sind harmlos, solange sich keine Wirkstoffe im Präparat befinden. Ansonsten können die Patienten gravierende Gesundheitsschäden erleiden, wenn zum Beispiel andere Dosierungen oder Inhaltsstoffe eingenommen werden als aus dem Beipackzettel ersichtlich.
Die europäischen Zöllner griffen im vergangenen Jahr rund 1.800 Mal zu und beschlagnahmten 3,2 Millionen gefälschte Arzneimittel im Wert von fast 27 Millionen Euro. Der größte Teil stammt aus illegalen Fabriken in Indien. Im legalen Vertrieb spielen die Nachahmerprodukte in Deutschland bislang kaum eine Rolle. Seit 1996 sind nur 40 Fälle bekannt geworden. Dem Bundeskriminalamt sind keine Fälle bekannt, in denen davon betroffene Patienten Schäden erlitten haben. Sorge bereitet Herstellern und Apothekern eher eine andere Variante der Arzneimittelfälschung, die kaum nachweisbar ist. Dabei werden Lieferungen von Herstellern an Krankenhäuser oder ins EU-Ausland von Kriminellen neu verpackt und zu einem höheren Preis wieder in Deutschland verkauft. Auch dieser Praxis will die Branche mit der neuen Codierung begegnen.