Europa ist eine Schnecke

Kommentar zum Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Hannes Koch

Die Bundesregierung kann erst einmal aufatmen. Und auch die Bürger dürfen beruhigt sein. Beiden hat das Bundesverfassungsgericht gedient, indem es die Euro-Rettung einerseits für rechtens erklärte, andererseits aber an strenge demokratische Voraussetzungen band. Allerdings enthält der Richterspruch auch einen nationalstaatlichen Ton, der die Fortentwicklung Europas hemmt und uns künftig noch Probleme bereiten wird.

In seinem Urteil vom Mittwoch stellte das Gericht klar, dass die 2010 beschlossenen Hilfskredite für Griechenland und der damals eingerichtete Euro-Stabilisierungsfonds nicht gegen das Grundgesetz verstießen. Der Klage der eurokritischen Professoren wies das Gericht zurück. Die Begründung: Der Bundestag habe jedesmal zugestimmt und damit sein überragend wichtiges Budgetrecht gewahrt. So sei auch nicht das Recht der Bundesbürger beschnitten worden, durch die Wahl der Volksvertreter die Politik zu beeinflussen.

Für die Zukunft legen die Verfassungsrichter fest, dass das auch so bleiben müsse. Sie ziehen den Rahmen sogar noch enger. Immer wenn es darum gehe, anderen Staaten Geld oder finanzielle Sicherheiten zur Verfügung zu stellen, müsse mindestens der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen. Keinesfalls dürfe ein Automatismus einsetzen, bei dem Deutschland ohne Mitwirkung des Parlaments Unterstützung an Schuldenstaaten zahle.

Dass die Zustimmung des Bundestages aber quasi in jedem Einzelfall notwendig wird, macht es schwieriger, Europa weiterzuentwickeln. Europäische Krisen wie die gegenwärtige lassen sich ja nur mit einer gesamteuropäischen Finanzpolitik vermeiden. Diese müsste idealerweise das Europäische Parlament kontrollieren. Die Politik eines europäischen Finanzministers dagegen an die Zustimmung von 17 Nationalparlamenten der Euro-Staaten zu binden, ist selbstzerstörerisch – der Minister wäre dann handlungsfähig. Wer europäische Krisen verhindern will, muss also den Bundestag schwächen und das Europäische Parlament in Strassburg stärken. Genau diesen Prozess jedoch erschwert das Bundesverfassungsgericht. Es will die Demokratie auf nationaler Ebene konservieren. Dies könnte Europa noch schaden – und damit auch seinen Unionsbürgern.