„Wir müssen die Sparer retten, nicht die Banken“

Interview

Der frühere sächsische Finanzminister und Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ist ein vehementer Kritiker des immer größer werdenden Rettungsschirms für den Euro. Der 66–jährige Professor der Volkswirtschaft verlangt neue Regeln für die Euro-Staaten.

Frage: Warum sind Sie gegen den Rettungsschirm für den Euro, der heute vom Bundestag verabschiedet wird?

Georg Milbradt: In der Politik ist es wie in der Medizin. Wir brauchen erst eine vernünftige Diagnose der Krankheit und dann die Therapie. Mit immer neuen Rettungsaktionen wird nur Zeit gekauft. Bei den in Rede stehenden finanziellen Dimensionen ist das nicht vertretbar. Die eigentliche Ursache für die Krise ist nicht die Überschuldung des griechischen Staates, das ist nur ein Symptom, sondern die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft und ihre exzessiven Importe. Griechenland ist bei einem Wettbewerbsrückstand von 30 bis 40 Prozent im Euro deshalb nicht sanierungsfähig. Daran ändert die nun verordnete Medizin nichts.

Frage: Das Land soll also zur alten Währung Drachme zurückkehren?

Milbradt: Das Land kann nur durch eine Abwertung außerhalb des Euro die Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen und muss  gleichzeitig sich eines Teils der Schulden durch einen Schnitt erledigen.  Wenn wir dies aus politischen Gründen ausschließen, wird Griechenland zu einem unheilbaren Pflegefall, der nur durch Transferzahlungen überleben kann.Wenn wir also nur mit neuen Krediten helfen, werden Schulden von den Privaten auf den Steuerzahler verlagert. Der Reformwille wird auch geringer. Das hat das Beispiel Italien ja gezeigt. Erst als die Zinsen für Berlusconis Staatsanleihen stiegen, hat die Regierung ein umfangreiches Sparprogramm beschlossen. Ein Ausstieg Griechenlands kostet uns auch etwas. Aber die Verluste sind schon längst entstanden. Es ist nur noch eine Frage, wann wir die Verluste verbuchen.

Frage: Die Bundeskanzlerin und viele Fachleute sagen für diesen Fall einen Zusammenbruch von Banken und des Euro voraus. Sorgt Sie diese Aussicht nicht?

Milbradt: Die deutschen Banken haben damit kein allzu großes Problem, allenfalls staatliche Institutionen wie die Bad Bank der HRE, für die der Staat sowieso haftet.  Der Rettungsschirm ist vor allem für Banken in anderen Ländern wichtig. Aber muss der deutsche Steuerzahler ausländische Banken retten? Nein! Die Politik darf sich nicht erpressbar machen, weder von Banken noch von anderen Staaten. Wir müssen die Sparer schützen, nicht die Fehlanlagen der Banken. Der andere Hauptbegünstigte der Rettunsaktionen ist die EZB. Ihr wird so ermöglicht, die Verluste ihrer Politik weiter zu verschleiern

Frage: Können die Banken ihre Aufgabe dann noch erfüllen?

Milbradt: Die Banken sind für den Geld – und Kreditverkehr wichtig und für die Sicherheit von Einlagen. Diese Aufgabe können sie weiterhin erfüllen, notfalls in dem man den Sparer durch staatliche Maßnahmen schützt, aber nicht die Bankeigentümer. In Deutschland haben wir auch keine Probleme mit der Versorgung mit Krediten. Wir haben niedrige Zinsen und die Leute wollen Kredite und erhalten sie auch.

Frage: Raten Sie Ihren Parteifreunden im Bundestag zur Ablehnung des erweiterten Rettungsschirmes?

Milbradt: Ja, die darin getroffenen Maßnahmen sind ungeeignet, die Krise zu lösen. Sie führen eben nicht zu einem Abbau der gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen in der Eurozone, sondern verlängern sie nur mit immer höheren Kosten.

Frage: Wie sieht Ihre Lösung der Schuldenproblematik aus?

Mildbradt: Wir müssen aus der Rettungslogik herauskommen und das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Der eine Ansatzpunkt ist die Europäische Zentralbank (EZB). Es darf ihr nicht weiter erlaubt werden, durch Gelddrucken die Südländer zu finanzieren. Es ist schon interessant, dass die EZB nicht mehr in der Geldwertstabilität ihre Hauptaufgabe sieht, sondern in der Finanzstabilität, also der Bankenrettung und der Staatsrettung. Die Banken wiederum müssen gezwungen werden, sich ausreichendes Kapital zu beschaffen, das dann als Puffer dienen kann und die Risiken von Staatspapieren zu beachten. Wenn das gemacht wird, aber erst dann, kann man die schmerzhaften Anpassungen auch durch öffentliche Hilfen abmildern. Wenn wir erst retten und das als alternativlos ansehen, kommt es zu keiner Gesundung der Patienten.

Frage: Bricht die Euro-Zone dann nicht auseinander?

Die Staaten, die eine disziplinierte und solide Finanz- und Wirtschaftspolitik betreiben, bleiben in der Euro-Zone. Sie wird also nicht zusammenbrechen. Diejenigen, die objektiv nicht fähig  oder politisch nicht willens sind, die mit einer Währungsunion verbundenen anspruchsvollen Konvergenzbedingungen zu erfüllen und wirtschaftspolitischen Einschränkungen ihrer Autonomie zu akzeptieren, werden sie verlassen. Das stärkt den Euro nach innen und nach außen. Die ausscheidenden Staaten haben mit einer eigenständigen Geld-, Zins- und Währungspolitik die Chance, wieder zum Wachstum zurückzukehren und werden nicht weiter mit einer überzogenen Deflationspolitik wie unter Reichskanzler Brüning nutzlos gequält.