Griechen helfen Griechen – soweit nötig

Deutsch-Griechen bessern die gekürzte Rente ihrer in Athen lebenden Eltern auf. Aber nicht immer ist Hilfe gefragt

„Ohne unsere Hilfe könnten meine Mutter und meine Schwester in Griechenland kaum existieren“, sagt der Berliner Georges Endres. Wegen der Krise schickt der Grundschullehrer seinen Angehörigen jetzt regelmäßig Geld. Viele Deutsch-Griechen handeln ähnlich: Sie unterstützen Familienangehörige, Freunde und Bekannte – indem sie Kosten übernehmen, Jobs in Griechenland schaffen oder bei der Arbeitssuche in Deutschland helfen. Aber es gibt auch eine andere Sichtweise: Nicht wenigen Griechen scheint es ökonomisch noch gut zu gehen, sie bedürften keiner Hilfe oder verlangen zumindest nicht danach.

Schwierig ist die Lage vor allem für derjenigen Bürger des Mittelmeerlandes, die ihr Einkommen vom Staat beziehen. Schon unter normalen Umständen belaufe sich die Rente seiner 89jährigen Mutter nur auf 160 Euro – nun sei diese Summe im Zuge der Sparmaßnahmen auch noch gekürzt worden, berichtet Lehrer Endres. Vergleichsweise härter trifft es Endres´ Schwester, die als Lehrerin an einer staatlichen Schule arbeitet. „Seit vergangenen Mai bekommt sie kein Gehalt mehr“, sagt Endres.

Also übernehmen der Berliner und sein Bruder jetzt einige der laufenden Ausgaben, um den Lebensunterhalt der Familie in Griechenland zu sichern. Dazu gehören beispielsweise Kosten für medizinische Behandlungen. Die dringende Augenoperation, der sich seine Mutter unterziehen muss, wird Endres privat finanzieren. Und ohnehin wohnt seine Mutter den Winter über in einer Wohnung in Athen, die der Sohn für sie gekauft hat.

Insgesamt sei die Wirtschaftslage mittlerweile so prekär, dass „ein Drittel der jungen Leute“ auswandern wollte, hat Endres bei seinem letzten Athen-Besuch im Sommer erfahren. An diesem Punkt wird Dimitrios Zachos aktiv. Der Geschäftsmann aus Bochum verschafft manchen Griechen neue Jobs, falls sie ihre alten verloren haben oder von dem gekürzten Gehalt nicht mehr leben können.

Im Ruhrgebiet kennt Zachos private Arbeitsvermittler und Betriebe, die griechischen Auswanderern gehören. Bei diesen konnte er schon einige Krisenflüchtlinge unterbringen – oft als Kellner oder Köche in griechischen Restaurants. Aber auch im Mittelmeerland selbst sorgt Zachos für einige Beschäftigung. Als Betreiber des Tourismus-Onlineportals Griechenlandabc.de ist er immer auf der Suche nach weiteren Hotels und Unterkünften, die er deutschen Griechenland-Reisenden anbieten kann. Um diese Informationen zu ermitteln, braucht Zachos lokale Kundschafter. So hat er im vergangenen Jahr zehn Aushilfen eingestellt, den letzten vor zwei Wochen.

Eine andere Art von Eigeninteresse verfolgt der Berliner Unternehmer Alexander Dewhirst. Auf der Insel Kythera, von der seine Großeltern väterlicherseits stammen, baut er gegenwärtig ein Haus. Dewhirst stellt klar: „Mit der aktuellen Krise hat das Vorhaben nichts zu tun. Wir planen es seit mehreren Jahren.“ Nichtsdestoweniger kommt durch solche Investitionen Geld ins Land, das Umsatz und Arbeitsplätze für einheimische Firmen schafft.

Im Gegensatz zu diesen Beispielen unternimmt Konstantin Petratos nichts – obwohl er als Chef der Software-Firma Cosinus im baden-württembergischen Freiburg durchaus die Möglichkeiten hätte. Warum? Einerseits begründet Petratos plausibel, dass der griechische Markt einfach zu klein sei, um dort größere Umsätze und Gewinne erwirtschaften zu können. Deshalb orientiert sich Cosinus eher in Schwellenländer wie Brasilien.

Und andererseits beurteilt Petratos die Situation Griechenlands erstaunlich optimistisch. „Wenn man uns fragte, würde ich helfen. Aber es fragt niemand“, so Petratos. Das habe nicht nur mit dem Stolz der Griechen zu tun. Einige seiner griechischen Verwandten arbeiten als selbstständige Unternehmer. Einer betreibt eine Baufirma, ein anderer ein Restaurant, der dritte eine Apotheke. „Sie sind alle gut im Geschäft“, sagt Petratos.

Seine These: Wer auf staatliches Einkommen angewiesen ist, hat wegen der Sparprogramme große Probleme. Besonders in Athen breche deshalb die Nachfrage zusammen und Geschäfte müssten mangels Kunden reihenweise schließen. Auf dem Lande, in touristisch und landwirtschaftlich geprägten Regionen seien die Wirtschaftskreisläufe aber oft intakt, stellte Petratos bei seiner jüngsten Sommerreise fest. „Dank steigender Touristenzahlen hatten viele Unternehmen und ihre Lieferanten ein gutes Jahr 2011.“