Schlichtungsstelle soll Streitigkeiten zwischen Energiekunden und Versorgern regeln
Strom- und Gaskunden müssen nicht mehr vor Gericht ziehen, wenn sie ihr Recht gegenüber ihrem Lieferanten durchsetzen wollen. Am 1. November nimmt die neu eingerichtete Schlichtungsstelle Energie ihre Arbeit auf. Die Moderatoren bemühen sich bei Beschwerden der Verbraucher um einen Interessenausgleich zwischen beiden Seiten. „Es ist ein unkompliziertes Verfahren“, verspricht Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Streitigkeiten über die Rechnung oder eine nur schleppende Durchführung eines Anbieterwechsels müssten bald nicht mehr im Gerichtsverfahren geklärt werden.
Ähnlich wie in der Versicherungswirtschaft wird ein unabhängiger Fachmann die Schlichtung leiten. In diesem Falle wurde der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Dieter Wolst, für diese Aufgabe benannt. Unzufriedene Kunden können sich an die in Berlin ansässige Ombudsstelle wenden. Innerhalb von drei Monaten will der Richter gemeinsam mit zwei weiteren Juristen jeden Fall abschließen. Nach Angaben der Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller, prüft Holst Vorwürfe ungerechtfertigter Preiserhöhungen. Das Verfahren ist für die Kunden kostenlos. Bezahlt wird es von der Wirtschaft.
Wirtschaft und Verbraucherschützer tragen die Schlichtungsstelle gemeinsam. Angeschlossen haben sich die großen Verbände der Energiewirtschaft, darunter die Stadtwerke und die neuen Anbieter. Die Kundenseite wird vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und dem Bund der Energieverbraucher vertreten. Rösler zeigt sich zufrieden, dass diese freiwillige Lösung zustande gekommen ist. „Das Modell der Schlichtung hat sich bewährt“, begrüßt auch Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) die Initiative.
Vzbv-Chef Gerd Billen erhofft sich ein Ende der Beschwerdewelle. In den letzten Jahren seien bei den Verbraucherzentralen Hunderttausende Reklamationen gegen die Energieanbieter eingegangen. Dabei gehe es vor allem um die Vertragslaufzeiten, um Preiserhöhungen oder den Wechsel des Lieferanten. Wolst hat noch keine Vorstellung vom Umfang der auf ihn zukommenden Arbeit. „Wenn die Unternehmen Verbraucher übers Ohr hauen, wird es eine Menge“, glaubt Billen, der aber auf mehr Kundenfreundlichkeit bei den Unternehmen hofft. Auch werden die Verbraucher laut vzbv bei der Auswahl ihres Lieferanten künftig auf eine Teilnahme des Unternehmens am Schlichtungsverfahren achten. Unseriöse Firmen verschwinden dann allmählich vom Markt.
Erfreut zeigen sich auch die oft kleinen Lieferanten, die sich im Bundesverband neuer Energieanbieter (bne) zusammengeschlossen haben. „In manchen Fällen dauert der Wechsel länger als notwendig“, stellt bne-Geschäftsführer Robert Busch fest. Über die Gründe konnten die Kunden bisher nur spekulieren. Die Schlichtung soll bald offenlegen, wer von den Beteiligten auf der Bremse steht.
Ab dem 1. November sind die Schlichter unter der Kontaktadresse Schlichtungsstelle Energie, Friedrichstraße 133, 10117 Berlin zu erreichen. Mit dem Start wird auch die Internetseite www.schlichtungsstelle-energie.de freigeschaltet.
Auch an anderer Stelle kommt der Verbraucherschutz voran. Das Internetportal Lebensmittelklarheit, auf dem sich Kunden über die täuschende Aufmachung von Lebensmitteln informieren können, erweist sich drei Monate nach der Einführung als erfolgreich. Laufend kommen neue Hinweise über irreführende Verpackungen hinzu. Jetzt stockt das Verbraucherministerium die Zuschüsse für die Webseite um 200.000 Euro auf, weil der Andrang den bisherigen Etat sprengt.