Wem der CDU-Mindestlohn nützt

Die Beschäftigten von Callcentern, Bäckereien, Gaststätten und viele weitere Arbeitnehmer könnten profitieren.

Etwa 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind nicht mehr durch Tarifverträge geschützt. Beispielsweise in vielen Callcentern existieren keine kollektiven Regeln für die Bezahlung. Die Folge: Oft sinkt der Lohn unter das Lebensnotwendige.

Dem will nun auch die CDU entgegenwirken. Beim Parteitag in Leipzig stand für Montagabend ein Antrag des Vorstandes zur Abstimmung, demzufolge eine „allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze“ speziell für die Branchen und Regionen eingeführt werden soll, in denen es keine Tarifverträge mehr gibt. Die Höhe des Gehaltsminimums wird eine Kommission aus Gewerkschaften und Unternehmern festlegen, wobei als Orientierung die bereits existierenden deutschlandweiten Mindestlöhne dienen. Diese liegen minimal im Umkreis von sieben Euro brutto pro Arbeitsstunde.

Von einer bundesweiten Untergrenze profitieren würden unter anderem viele Angestellte in mittelständischen Callcentern. Während die großen Firmen immerhin Haustarife abschließen, sind Arbeitskräfte in kleinen Unternehmen oft der Macht ihrer Vorsetzten ausgeliefert. Wer Pech hat, arbeitet für einen Basislohn von 5,50 Euro brutto, heißt es bei der Gewerkschaft Ver.di. Vielleicht kommt noch eine Provision für den Telefonverkauf von Lotterielosen hinzu – aber verlassen kann man sich darauf nicht.

Auch viele Bäcker und Verkäuferinnen in Bäckereien können sich nicht auf Tarifverträge berufen. Reinhard Bispinck vom Tarifarchiv der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung sagt, dass gültige Lohnregeln für diese Branche in Niedersachen, Bremen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Sachsen fehlten. Sechs Euro Bruttolohn pro Stunde für die Verkäuferinnen sind dann keine Seltenheit. Macht am Monatsende rund 1.000 Euro, wovon noch Steuern und Sozialversicherung zu bezahlen sind.

Und weitere solcher Beispiele lassen sich finden. Viele Schlachthöfe beschäftigen ihre Arbeiter ohne tarifliche Bezahlung. In den Hotels und Gaststätten der ostfriesischen Inseln gibt es ebensowenig flächendeckende Tarife wie in der Gastronomie Mecklenburg-Vorpommerns. Die Zahl der ungeregelten Branchen und Gebiete nimmt zu, weil mehr Firmen sich höhere Löhne nicht leisten wollen oder können. Außerdem haben die Gewerkschaften in den Augen mancher Beschäftigter an Attraktivität eingebüßt.

Aber selbst dort, wo Gewerkschaften und Arbeitgeber noch Tarifverträge aushandeln, ist die Bezahlung oft miserabel. In Brandenburg liegt der Mindest-Tariflohn für Friseurinnen bei gut drei Euro brutto. Solche Hungerlöhne würden vorläufig auch dann fortbestehen, wenn aufgrund des CDU-Beschlusses eine Untergrenze für die tariffreien Zonen eingeführt würde.

Info-Kasten

Die Mindestlohndebatte

Um die einzelnen Beschäftigten vor Willkür und Hungerlöhnen zu schützen, haben die Gewerkschaften seit dem 19. Jahrhundert durchgesetzt, dass Löhne und andere Leistungen in kollektiven Tarifverträgen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden vereinbart werden. Aber die Wirksamkeit und Reichweite der Tarifverträge nimmt seit mehreren Jahrzehnten ab. Unter anderem die Gewerkschaften und die SPD fordern deshalb seit einigen Jahren, einen gesetzlichen, politischen Mindestlohn einzuführen, wie ihn viele Nachbarstaaten bereits haben. Nachdem sich die CDU lange wehrte, weil sie nicht in den freien Markt eingreifen wollte, weicht ihre Ablehnung nun auf.