Netzbetreiber kommen beim Anschluss der Nordsee-Windparks kaum hinterher. Firma Tennet ruft die Bundesregierung zur Hilfe
Gigantische Investitionen, große technische Probleme: Der schnelle Ausbau der Windparks auf der Nordsee bringt manches Unternehmen an seine Grenze. Die Firma Tennet, die die Leitungen zwischen den Windkraftwerken und dem Festland baut, hat sich jetzt hilfesuchend an die Bundesregierung gewandt. „In der bisherigen Geschwindigkeit und Form ist die Errichtung von Anschlussleitungen für Offshore-Windparks in der Nordsee nicht länger erstrebenswert und möglich“, hat Tennet an Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Umweltminister Norbert Röttgen geschrieben.
Tennet, eine Tochterfirma des niederländischen Staates, steckt in der Klemme. Das Unternehmen hat das ehemalige E.ON-Stromnetz gekauft, das von der Nordsee über Hessen bis zu den Alpen reicht. Deshalb muss die Firma alle Unterwasserleitungen bauen, um die neuen Windparks auf der Nordsee anschließen. Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, zusätzliche Parks innerhalb von 30 Monaten mit dem Netz zu verbinden.
Das erfordert hohe Investitionen in kurzen Zeiträumen. Die Anschlusskosten für einen Windpark schlagen mit bis zu einer Milliarde Euro zu Buche. Gegenwärtig hat Tennet neun Projekte in Bau oder Planung, für die bereits bis zu sechs Milliarden Euro Investitionen ausgelöst wurden. Hinzu kommen neue Trassen, die die Firma an Land errichten muss.
Tennet selbst weist auf „fehlende personelle, materielle und finanzielle Ressourcen aller Beteiligter“ hin. Für 2010 wies das Unternehmen einen Umsatz von 7,9 Milliarden Euro aus. Unter Fachleuten ist zu hören, dass die Firma „unterkapitalisiert“ sei – also über ein zu geringes Finanzvolumen zu verfüge, um bald noch ausreichende Bankkredite akquirieren zu können.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte am Mittwoch, „für eine ausreichende Finanzierung ist der hinter Tennet stehende niederländische Staat verantwortlich“. Allerdings will das Ministerium auch dafür sorgen, die „Rahmenbedingungen“ für Investitionen in Offshore-Leitungen zu verbessern. Dazu gehört beispielsweise eine Änderung der Haftungsregeln. Gelingt es Tennet bisher nicht, einen neuen Windpark innerhalb von 30 Monaten anzuschließen, muss die Firma unbegrenzten Schadenersatz an die Parkbetreiber zahlen. Hier will das BMWi ab 2012 eine „klare Haftungsbegrenzung für den Netzbetreiber“ einführen. Damit sänke das Risiko. Tennet käme leichter an Kredite.
Schwierigkeiten hat Tennet außerdem mit dem Nachschub von Material. Es hapert unter anderem an der rechtzeitigen Lieferung von Kabeln und Kabelspulen. Diese Technik stellen unter anderem Siemens und ABB her. Auch die Spezialschiffe für die Verlegung der Unterwasserleitungen sind nicht immer so verfügbar, wie benötigt.
Beim Netzbetreiber 50 Hertz, der die Windparks auf der Ostsee anschließen muss, teilt man einige der Bedenken, die Tennet vorbringt. Knappheit beim Kapital sei nicht das Problem von 50 Hertz, wohl aber die Haftungsregelung und die Anschlussfrist von 30 Monaten. Beides solle die Regierung überdenken, heißt es bei 50 Hertz.