Barroso übernimmt neuen Anlauf, um gemeinsame Staatsanleihen aller Eurostaaten einzuführen
Bekommen wir die Schuldenkrise in den Griff? Bisher haben die europäischen Regierungen keine wirksame Lösung gefunden. Nun stellt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso einen Vorschlag für so genannte Eurobonds zur Diskussion – gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Staaten. Unsere Zeitung erklärt die wichtigsten Punkte aus dem ihr vorliegenden Entwurf der EU-Kommission.
Der Sinn der Eurobonds
Heute gibt jedes Euro-Land eigene Staatsanleihen heraus, um sich von Investoren das Geld zu beschaffen, das ihm fehlt. Weil den Geldgebern das Risiko zu groß ist, müssen stark verschuldete Staaten wie Griechenland oder Italien hohe Zinsen zahlen oder können auf dem Markt gar keine Kredite mehr aufnehmen. Das gefährdet die gemeinsame Währung Euro und das wirtschaftliche Wohlergehen der anderen Euro-Staaten. Gemeinsame Schuldscheine würden garantieren, dass alle Euro-Mitglieder wieder Zugang zum Kapitalmarkt erhielten. Möglicherweise würde die Krise dadurch abflauen. Die Kommission bezeichnet die Schuldscheine deshalb als „Stabilitätsanleihen“.
Die Varianten der Euro-Anleihen
Barroso schlägt drei Varianten vor. Erstens: Eine neue europäische Finanzagentur gibt exklusiv gemeinsame Anleihen heraus, mit denen sich die Mitglieder ausschließlich finanzieren. „Dieser Ansatz wäre der effektivste“, heißt es im Bericht der Kommission. Zweitens: Die Staaten verschulden sich nur bis zu einer bestimmten Grenze von vielleicht 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung gemeinsam. Für Kreditbedarf jenseits dieses Limits muss jedes Land mit eigenen Anleihen sorgen. Drittens: Die Euro-Mitglieder geben wie bisher nationale Schuldscheine heraus, übernehmen aber gegenseitige Garantien für einen Teil dieser Anleihen.
Kein Kredit ohne Sparen
Die europäischen Staatsanleihen könnte manche Regierung als Anreiz missverstehen, sich mal ordentlich auf Kosten der Euro-Gemeinschaft zu verschulden. Damit das nicht passiert, plädiert die EU-Kommission dafür, die Haushaltsdiziplin in allen Euro-Staaten künftig konsequent durchzusetzen. Bislang allerdings haben solche europäischen Regeln versagt.
Die Konsequenzen für Deutschland
Mit gemeinsamen Anleihen würde Europas größte und stärkste Ökonomie anderen Ländern einen Teil ihrer Vertrauenswürdigkeit und relativen Bonität leihen. Weil Deutschland dann für ausländische Schulden mithaftet, verlangen die Investoren höhere Zinsen auch von uns. Möglicherweise bekommen die Geldgeber auch Zweifel, ob Deutschland die Lasten ganz Europas tragen kann. Das könnte die deutsche Verschuldung zusätzlich verteuern.
Die Chancen stehen nicht gut
Am Montag machte Merkels Sprecher Steffen Seibert erneut klar, dass die Kanzlerin nicht allzu viel von Eurobonds hält. Das Vertrauen in die Stabilität Europas lasse sich nicht durch gemeinsame Schulden, sondern nur durch gemeinsame Haushaltsdisziplin wiederherstellen. Hinzu kommt: Barroso hat zur Zeit kein gutes Standing. Vieles läuft an ihm vorbei. Auch das erhöht die Umsetzungschancen für seine Vorschläge nicht.
Welche anderen Lösungen werden diskutiert?
Der neue, große Stabilitätsfonds EFSF ist zwar beschlossen, funktioniert aber noch nicht. Alternativ könnte die Europäische Zentralbank mehr Staatsanleihen verschuldeter Länder kaufen, um die Zinsen zu drücken. Aber auch mit dieser Variante ist die Bundesregierung nicht einverstanden. Die von Deutschland favorisierte Sparpolitik hingegen braucht Zeit. Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Eine Lösung der Krise steht in den Sternen.