Finanzinstitute bräuchten zur Sicherheit gegen Krisen viel mehr Reservekapital, sagt das DIW
Im Vergleich zu Industrieunternehmen stehen Banken finanziell meist auf schwachen Beinen – obwohl man eigentlich das Gegenteil vermuten würde. Während Maschinenbauer oft ein Drittel des Kapitals für Investitionen auf dem Konto haben, bringen viele Finanzinstitute weit unter zehn Prozent des Geldes für Geschäfte selbst auf. Den größten Teil leihen sie sich dazu – was sie in Krisen anfällig und bedürftig für Rettungsmilliarden der Steuerzahler macht.
In einer neuen Studie fordert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nun die Politik auf, diesem Missstand abzuhelfen. Ökonomie-Professorin Dorothea Schäfer regt an, die Institute zu verpflichten, deutlich mehr Geld in Reserve zu halten. Das verringere die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierungen und Bürger marode Banken mit viel Geld auffangen müssten.
Das DIW liefert auch Zahlen: Bis zu 130 Milliarden Euro müssten zehn deutsche Großbanken zusätzlich als Eigenkapital beschaffen. Alleine die Deutsche Bank bräuchte nach Schäfers Berechnungen bis zu 64 Milliarden Euro – gut das Doppelte ihrer Eigenkapitalausstattung von 2010. Der Commerzbank fehlten bis zu 16 Milliarden Euro, der verstaatlichten HRE bis zu 14 Milliarden und der NordLB bis zu sieben Milliarden Euro.
Was sind Gründe für die relative Finanzschwäche der Institute? Grundsätzlich geht man davon aus, dass Industrieunternehmen gegenüber ihren Gläubigern mehr vorhandenes Eigenkapital nachweisen müssen, weil sie die Maschinen und Immobilien nicht so einfach verkaufen können, wenn sie mal schnell Geld brauchen. Wertpapiere und Einlagen bei Banken gelten dagegen im Notfall als besser liquidierbar. Hinzu kommt, dass viele Institute in den vergangenen Jahrzehnten ihre Eigenkapitalrenditen dadurch steigerten, dass sie mit wenigem eigenem und viel geliehenem Geld immer größere Geschäfte abwickelten. Mit diesem Mechanismus lässt sich die Eigenkapitalrendite im Sinne der Aktionäre erhöhen.
Vorschriften für mehr Reservekapital dagegen senken die Rendite. Das DIW schlägt nun vor, international ein Verhältnis von fünf Prozent Eigenkapital (Aktien plus Rücklagen) im Verhältnis zur gesamten Bilanzsumme vorzuschreiben. Diese Maßzahl heißt in der Fachsprache Leverage Ratio (Hebel). Die Reserve wäre demnach höher als im künftigen Bankenabkommen Basel III vorgesehen. Die internationalen Bankenaufseher peilen drei Prozent ab 2018 an. Daneben gibt es heute eine Eigenkapitalanforderung von neun Prozent, die sich aber nur auf eine Teilgröße der Bankbilanzen bezieht und damit niedriger ausfällt, als die DIW-Zahl.
Aber würden die strengeren Eigenkapitalanforderungen á la DIW die Institute nicht überfordern? Schließlich hat beispielsweise die Commerzbank gegenwärtig massive Probleme, weil sie schon die niedrigeren Werte, die die Bankenaufsicht verlangt, nicht ohne weiteres erfüllen kann. Schäfer betrachtet die fünf Prozent nicht als kurzfristig, sondern als langfristig zu erreichende Größe. „Die Institute könnten ihr Eigenkapital erhöhen, indem sie neue Aktien ausgeben und weniger Dividenden und Boni ausschütten“.
„Dieser Vorschlag geht an der Realität vorbei“, kritisiert der Bankenverband, der die privaten Institute vertritt. „Ab einer bestimmten Höhe der Mindestkapitalanforderung wird das System nicht mehr stabiler.“ In schweren Krisen wie etwa nach dem Lehman-Crash sei „selbst die beste Kapitalausstattung nicht ausreichend“. Der Bankenverband meint außerdem, die Institute hätten wenig Möglichkeiten, sich das notwendige Geld zu beschaffen. Würden sie keine Dividenden zahlen, schreckte das Aktionäre ab. Ergebnis: weniger Eigenkapital, nicht mehr.
Die Deutsche Bank weist daraufhin, dass sie nach einer bestimmten Bilanzierungsmethode (US-GAAP) die vom DIW vorgeschlagene Eigenkapitaldecke beinahe schon erreiche. Nach der internationalen Methode IFRS wäre sie davon allerdings weit entfernt. Ansonsten äußert sich die größte deutsche Bank vorsichtig. Die Politik müsse in jedem Fall darauf achten, den Instituten ausreichend lange Übergangsfristen für die Anpassung zu lassen.
Das Bundesfinanzministerium hält die DIW-Studie für einen „interessanten Beitrag zur laufenden Diskussion“. „Die konkrete Ausgestaltung“ höherer Eigenkapitalanforderungen werfe aber „noch viele Fragen auf, die einer vertieften Klärung bedürfen“.