Parteitag: SPD will Einkommensteuer anheben. Nicht die mittlere Mittelschicht soll zahlen, sondern die höhere Mittelschicht
Die Mittelschicht der Bevölkerung ist wichtig für die SPD. Ohne sie wird die Partei keine Bundestagswahl gewinnen. Deswegen gilt für die Sozialdemokraten immer: Man muss die Bürger binden, man darf sie nicht vergraulen. Diese Herausforderung ist dem steuerpolitischen Programm anzumerken, das dem SPD-Parteitag am Dienstag zur Abstimmung vorliegt. Trotz Steuerhöhungen käme die Mittelschicht im Falle einer SPD-Regierungsbeteiligung 2013 relativ glimpflich davon.
Die Parteispitze empfiehlt in ihrem Leitantrag, die Einkommensteuer für diejenigen Bürger anzuheben, die pro Kopf mehr als rund 5.400 Euro pro Monat oder 65.000 Euro pro Jahr versteuern. Ein Single mit 70.000 Euro zu versteuerndem Einkommen würde dann jährlich 34 Euro mehr zahlen. Bei 80.000 Euro läge die Belastung um 248 Euro höher als heute, bei 90.000 um 657 Euro, bei 100.000 um 1.259 Euro. Diese Zahlen haben Steuerexperten berechnet.
Deutlich spürbarer würde die höhere Steuer dagegen bei großen Verdiensten. Ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Einkommen von 250.000 Euro müsste 11.759 Euro zusätzlich an das Finanzamt überweisen.
Die Zahlen kommen zustande, weil die SPD den Spitzensteuersatz anheben will. Für jeden Euro zu versteuernden Einkommens über 52.881 Euro werden heute 42 Prozent fällig. Die Sozialdemokraten wollen diesen Satz anwenden bis 65.000 Euro (Proportionalzone), wodurch auch relativ hohe Einkommen der Mittelschicht nicht zusätzlich betroffen wären. Danach aber soll die Spitzenbelastung allmählich auf 49 Prozent steigen (Progressionszone) – ein Steuersatz, der ab 100.000 Euro gilt. Gegenwärtig liegt der höchste Satz der so genannten Reichensteuer bei 45 Prozent.
SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und seine Mitstreiter wollen durch diese Operation fünf Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die Staatskassen holen. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit, um gut verdienende Bürger in Zeiten der Finanzkrise stärker an notwendigen Staatsausgaben zu beteiligen. Der Parteilinken reicht das allerdings nicht. Sie will eine zusätzliche Reichensteuer erheben, was den Spitzensatz auf 52 Prozent steigen lassen würde. Beide Antrag stehen am Dienstag zur Debatte.
Die Bundesregierung hat dagegen unlängst beschlossen, die Einkommensteuer nicht zu erhöhen, sondern leicht zu senken. Das Ziel ist es, die so genannte kalte Progression abzumildern. Darunter versteht man automatische Steuererhöhungen aufgrund von Inflation und Lohnsteigerungen. Würde die aktuelle Regierung ihre Pläne nach einem Wahlsieg 2013 umsetzen, sänke die Steuerbelastung der Bürger insgesamt um rund sechs Milliarden Euro.