Kommentar zur Rating-Herabstufung von Hannes Koch
Als Bürger und Steuerzahler ist man entsetzt: Wieso kann ein kleines Privatunternehmen aus dem fernen New York über die Lebensverhältnisse von mehreren hundert Millionen Menschen entscheiden? Die Macht, die Ratingagenturen wie Standard & Poor´s inzwischen ausüben, ist Ausdruck eines obszönen Missverhältnisses: Das globale Kapital spielt mit souveränen Staaten Katz und Maus.
Dass die Ratingagentur Standard & Poor´s am Freitag Abend die Bonitätsnoten Frankreichs, Österreichs und weiterer Euro-Staaten senkte, wird Folgen haben. Die Regierungen müssen Investoren höhere Zinsen bieten, wenn sie Staatsanleihen verkaufen. Damit fließt künftig noch mehr Steuergeld in Richtung Banken und Investoren.
Obwohl Deutschland der Herabstufung einstweilen entgangen ist, läuft nun auch hierzulande wieder die bislang folgenlose Debatte darüber, ob und wie man den Einfluss der Agenturen beschneiden könnte. Dabei gerät aus dem Blick, dass die Ökonomen von Standard & Poor´s vielleicht zu mächtig, aber keine Ignoranten sind. Ihre Begründung für die Herabstufung der Bonität enthält ernstzunehmende Argumente, warum es den europäischen Regierungen bislang nicht gelungen ist, die Schuldenkrise einzudämmen.
So warnt die Agentur vor einer Abwärtsspirale: Im Bemühen, die Schulden zu verringern, würden Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen ausschließlich auf Sparen setzen und dadurch den Wirtschaftsabschwung verschärfen. Außerdem habe die Euro-Zone bislang keine ausreichenden Summen zur Verfügung gestellt, um die Zahlungsunfähigkeit eines großen Landes wie Italiens auszuschließen. Deswegen halte das Misstrauen der Investoren an, die Krise gehe weiter.
Beides ist nicht von der Hand zu weisen. Sparen alleine reicht nicht. Die Euro-Zone braucht ein Investitionsprogramm, das nicht aus zusätzlichen Schulden finanziert wird, wohl aber eine Wachstumsperspektive eröffnet. Und einiges spricht dafür, dass erst Ruhe eintritt, wenn die Investoren der Europäische Zentralbank glauben, dass diese im Notfall auch mit sehr großen Summen für schwankende Staaten eintritt. Indem die Ratingagentur auf diese Punkte hinweist, hat sie wohl Recht – leider.