Vier Länder zahlen, zwölf empfangen – der Länderfinanzausgleich ist ein teilweise paradoxes System
Slums und Straßenschlachten in den Großstädten, Villen hinter hohen Elektrozäunen in den Vororten am See – das ist nicht das Ideal, das die meisten Bundesbürger im Kopf haben. Der Mehrheit der Deutschen liegt viel an sozialem Ausgleich. Um diesen auch zwischen Nord und Süd, West und Ost zu verwirklichen, wurde in der alten Bundesrepublik der Länderfinanzausgleich erdacht. Diese praktizierte Solidarität zwischen den Regionen bewegte 2011 rund 7,3 Milliarden Euro.
Das ist Kleinkram angesichts der Summe der gesamten Steuereinnahmen von rund 600 Milliarden Euro, die Bund und Länder gemeinsam erzielen. Und doch geht der Streit alle paar Jahre von neuem los. Das liegt vor allem an der merkwürdigen Verteilung der sieben Milliarden. Nur vier Bundesländer zahlen: Bayern 3,6 Milliarden Euro, Baden-Württemberg und Hessen jeweils rund 1,8 Milliarden und Hamburg 62 Millionen. Drei Viertel der Bundesländer sind mittlerweile Empfänger – allen voran Berlin mit drei Milliarden Euro, gefolgt unter anderem von Sachsen (900 Millionen), Sachsen-Anhalt (540 Millionen) und Thüringen (530 Millionen, Zahlen von 2011).
Als Basis werden im wesentlichen die jeweiligen Steuereinnahmen der Länder und ihrer Gemeinden zur Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt. Liegt ein Land unter der bundesdurchschnittlichen Finanzkraft pro Kopf, erhält es Mittel. Liegt es über dem Durchschnitt, zahlt es an die ärmeren Regionen. Die Unterschiede in der Finanzkraft werden nicht völlig, aber zum großen Teil ausgeglichen.
Nicht nur Stefan Löwer, der Sprecher des hessischen Finanzministers, bemängelt, dass damit falsche Anreize gesetzt würden. Ein Beispiel: Berlin erwirtschaftet nur rund die Hälfte seines 20-Milliarden-Euro-Haushalts durch Steuern. Hat die Hauptstadt nun aber einen Anlass, diese Größe zu erhöhen? Man kann argumentieren: Nein. Schließlich würden zusätzliche Steuereinnahmen durch ein entsprechendes Minus beim Länderfinanzausgleich kompensiert. Unter dem Strich verfügte Berlin nicht über mehr Mittel. Warum dann anstrengen? Philip Husemann, Sprecher von Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum, weist diese Überlegung allerdings zurück: Es sei absurd anzunehmen, die Stadt wolle absichtlich arm bleiben und anderen auf der Tasche liegen.
Problematisch ist der heutige Länderfinanzausgleich in jedem Fall dadurch, dass nur die Einnahmen, nicht aber die Ausgaben berücksichtigt werden. Leisten sich Landesregierungen schöne, aber unnötige Bauten oder Personalstellen, macht das keinen Unterschied – die Millionen der Solidarität fließen sowieso.
Das kann man jetzt noch einige Jahre beklagen – ab 2020 aber ist in jedem Fall Schluss mit vielem, was heute normal erscheint. Dann läuft der Länderfinanzausgleich in seiner heutigen Form aus. Ebenso enden die Zahlungen, die ostdeutsche Länder wegen der Wiedervereinigung erhalten. Und drittens greift die Schuldenbremse. Ein neuer Verteilmodus muss her. Und mancher Landesfinanzminister wird sich dann insgeheim ins vergleichsweise opulente Jahr 2012 zurückwünschen.