Die Neugründung Griechenlands

Kommentar zu Griechenland von Hannes Koch

Was im nahezu bankrotten Griechenland gegenwärtig abläuft, können sich viele Deutsche wahrscheinlich kaum vorstellen. Unter großen Schmerzen und Turbulenzen nehmen die Griechen Abschied von einem System, das seit Jahrzehnten auf Vetternwirtschaft, Korruption und Verantwortungslosigkeit der Bürger gegenüber ihrem Staat beruhte. Die Mehrheit der griechischen Gesellschaft hat sich aufgemacht zur Neugründung ihres Gemeinwesens. Diesen Prozess sollten die Eurozone und auch die Bundesregierung anerkennen und nicht erschweren.

Deshalb sind öffentliche Schuldzuweisungen wie die jüngste des Bundesfinanzministers hinderlich. Via Zeitungen hat Wolfgang Schäuble ausrichten lassen, Athen akzeptiere die angebotene deutsche Hilfe beim Aufbau einer effektiven Steuerverwaltung nicht. Derartige Stellungnahmen sind zwar Teil des politischen Spiels. Schäuble will den Druck aufrechterhalten, damit die griechische Regierung ihre Sparzusagen einhält. Diese publiziert selbst Deutschland-kritische Stellungnahmen, um in den Augen ihrer eigenen Bevölkerung nicht als willenlose Vollstrecker eines externen Spardiktats dazustehen.

Allerdings dürfen Rede und Gegenrede auf der politischen Bühne nun nicht mehr davon ablenken, dass Griechenland alle wesentlichen Zugeständnisse gemacht hat, die der Auszahlung des zweiten Hilfspaketes bisher entgegenstanden. Die griechischen Parteien haben schriftlich versichert, die Sparmaßnahmen auch nach der anstehenden Parlamentswahl fortzusetzen. Und selbst ein Sperrkonto haben sie akzeptiert, auf das ein Teil ihrer Steuereinnahmen fließen soll, um die Gläubiger zu bedienen. So liegt es nun in den Händen der europäischen Finanzminister, das Hilfspaket am heutigen Montag freizugeben und die griechische Krise zu entschärfen.