Ein Zwang zur Tarifeinheit ist überflüssig
Seit einigen Tagen wächst der Druck auf das streikende Bodenpersonal am Frankfurter Flughafen. Gerichte verbieten sogar Solidaritätststreiks der Lotsen im Tower, die den Arbeitgeber Flughafen tatsächlich hart treffen würden. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen denkt laut über Eingriffe ins Tarifrecht nach. Der Gesetzgeber könnte beispielsweise die 2010 vom Bundesgerichtshof ausgehebelte Tarifeinheit wieder herstellen.
Dabei bewirkt die Spartengewerkschaft der Flugsicherung mit ihren 200 Leuten am Airport mit nicht mehr viel, weil ihre Mitglieder längst weitgehend durch herbeigeschafftes Personal ersetzt werden. Aus den Vorfeld-Rambos sind längst Vorfeld-Zwerge geworden, die beim Personalvorstand kleinlaut neue Verhandlungstermine erbitten müssen. Diese Entwicklung widerspricht der insbesondere von den Arbeitgebern – auch anderer Branchen – an die Wand geworfene Bild der Minitruppe mit Riesenmacht.
Natürlich sind vom Streik betroffene Passagiere sauer, wenn sie nicht oder nur über Umwege ans Ziel kommen. Das war bei anderen Arbeitskämpfen, zum Beispiel dem großen Ausstand der Lokführergewerkschaft GdL nicht anders. Aber ist der durch das Land gehende Aufschrei der Empörung berechtigt, mit der die Vertretung von Interessen kleiner Arbeitnehmergruppen angeprangert wird? Mit Blick auf die Fakten ist dies sicher nicht der Fall. Der GdL gelang mit einem langen Arbeitskampf nur anfangs ein großer Coup. In den folgenden Jahren ließ der Erfolg merklich nach. Von ihrem Arbeitskampf bei den Privatbahnen 2011 hat die Öffentlichkeit nur wenig Notiz genommen.
Auch bei den Krankenhausärzten ist die anfangs befürchtete Erpressung durch ihre Streikmacht bisher nicht eingetreten. Und von den Minigewerkschaften aus anderen Branchen sind auch noch nicht frech aus ihrem Schatten herausgetreten und haben mit zahlenmäßig wenig Personal großen Schaden verursacht. Ebenso wenig haben sich neue Spartengewerkschaften gebildet und die Tariflandschaft nachhaltig verändert. Insgesamt sind die deutschen Arbeitnehmer auch ohne Tarifeinheit so verantwortungsvoll mit ihren Arbeitskampfinstrumenten umgegangen wie in den Jahrzehnten zuvor auch der Fall war. Es spricht also abgesehen von einer aktuellen Aufgeregtheit kein Fakt übrig, der eine Einschränkung der Tariffreiheit durch eine gesetzlich verordnete Tarifeinheit rechtfertigen würde. Bei den Kleingewerkschaften wird vielmehr eine Mücke zum Elefanten erklärt.
Der Ausstand ist und bleibt das einzige wirksame Mittel, mit denen Gewerkschaften Druck auf die Arbeitgeber ausüben wollen. Das mag für die Betroffenen ärgerlich sein. Doch das gehört nun einmal zum Tarifgeschäft, wenn sich beide Seiten nicht am Verhandlungstisch einig werden können.
Jeder Eingriff in die Waffenkammer, auch wenn die Beteiligten mit deren Inhalt über das Ziel hinausschießen wie in Frankfurt, ist höchst zweifelhaft.