Noch kein Kraut gegen Altersarmut gewachsen

Geringverdiener tappen zwangsläufig in die Armutsfalle / Allein kann sich daraus niemand befreien

Für viele Arbeitnehmer ist ein Szenario kaum vorstellbar, ein Leben lang zu arbeiten und trotzdem nur eine Minirente zu bekommen. In der vergangenen Woche veröffentlichte Zahlen zeigen, dass dies doch gut möglich ist. Ein dauerhafter Minijobber, der 45 Jahre lang in dieser Situation verharrt, kommt gerade einmal auf einen Rentenanspruch von 140 Euro. Selbst wenn der Betreffende die Zahlung an die Rentenkasse freiwillig aufstockt, kommt nicht viel dabei heraus. 182,70 Euro stehen dann auf der monatlichen Abrechnung im Alter. Diese Fälle wären dann auf die Grundsicherung angewiesen, die dem Satz von Hartz IV entspricht. Die Zahlen gehen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor.

Die mickrige Ausbeute am Ende eines Arbeitslebens entspricht der Systematik der gesetzlichen Rente. Je mehr Beiträge eingezahlt werden, desto höher ist das Ruhegeld. Minijobber führen sehr wenig ein. Entsprechend dürftig sind die Ansprüche. Die genannten Zahlen halten Experten für Extremfälle. Kaum jemand lebt dauerhaft von einem Minijob. Meist kommen weitere Einkünfte dazu, etwa durch den Partner oder die Partnerin. So wird die gesetzliche Rente auch im Alter nicht die einzige Einnahmequelle sein.

Trotzdem entwickelt sich am unteren Rand der Arbeitsgesellschaft ein Trend zu Altersarmut. Üppig sind die gesetzlichen Renten für viele schon jetzt nicht. Die Frauen des Jahrgangs, der 2010 in den Ruhestand gingen, erhielten durchschnittlich 535 Euro Monatsrente. Männer kamen auf 999 Euro. Zusätzliche Einkünfte, etwa durch Betriebsrenten oder Mieten oder aus dem Ersparten, sichern den meisten Rentnern noch einen vergleichsweise angenehmen Lebensabend. Bei Frauen summieren sich die Einkünfte auf durchschnittlich 1.188 Euro, bei Männern auf 1.451 Euro. Nicht einmal drei Prozent dieser Generation ist auf die Grundsicherung angewiesen.

Doch die Zahl der armen Alten wird rasch ansteigen. Der DGB sieht vor allem große Probleme auf Ostdeutschland zukommen. Jeder vierte Mann und mehr als die Hälfte der Frauen in den neuen Ländern werden danach weniger als 700 Euro monatlich bekommen. Auch eine Studie des Otto-Suhr-Instituts in Berlin lässt erahnen, dass vor allem auf Frauen schwierige Zeiten zukommen. Nur 21 Prozent der westdeutschen Frauen können laut Untersuchung ein Vollzeiterwerbsleben vorweisen. Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigungen sind weit verbreitet. Damit sind oft geringere Rentenansprüche verbunden.

Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) will der Altersarmut durch eine Zuschussrente begegnen. Gerade ist das Konzept fertig geworden. Wer sein Leben lang arbeitet, aber nur geringe Ansprüche erworben hat, kann mit einem Zuschuss rechnen. Die Rente wird auf brutto 850 Euro aufgestockt. Zieht man die Krankenkassenbeiträge ab, kommt netto noch ein Wert heraus, der deutlich über der Grundsicherung von rund 650 Euro liegt. Zusammen mit den Einkünften aus einer Riester-Rente wären die langjährig Beschäftigten vor Armut gefeit, versichert die Ministerin.

Diese These ist gewagt, wie nicht nur der Sozialverband Deutschland (VdK) kritisiert. „Die meisten Geringverdiener, Langzeitarbeitslosen und Erwerbsminderungsrentner können die Voraussetzungen für Zuschussrente gar nicht erfüllen“, stellt VdK-Präsidentin Ulrike Mascher fest. Dazu werden bald die Folgen der zunehmenden Teilzeitbeschäftigung und der Minijobs für das Rentensystem sichtbar. Von den gut 16 Millionen erwerbstätigen Frauen arbeiteten 2011 nur gut die Hälfte in Vollzeit. Fast 29 Prozent hatten eine Teilzeitstelle, jede fünfte wurde ausschließlich geringfügig beschäftigt. Große Vorsorgeansprüche werden hier nicht erarbeitet.

Selbst in den eigenen Reihen in von der Leyens Konzept umstritten. Familienministerin Kristina Schröder sieht in der Ausweitung der Minijobs die größte Gefahr von Altersarmut. Und die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) will ein eigenes Konzept vorlegen, bei dem die Erwerbstätigkeit nur ein Bestandteil der künftigen Rentenansprüche sein soll und andere Leistungen wie die Erziehung von Kindern eine größere Rolle spielen.

Die Betroffenen selbst haben kaum eine Chance, ausreichend vorzusorgen. Für größere monatliche Sparbeiträge reicht das Einkommen nicht aus. Deshalb ist die Politik gefordert. Doch die Parteien drücken sich trotz Ansätzen wie der Zuschussrente noch um das Problem herum. Hilfreich sind nach Ansicht vieler Experten, vor allem aus dem linken Lager, nur höhere Löhne, die eine ausreichende Vorsorge ermöglichen und mehr gut bezahlte Arbeit für Frauen.