Weniger Inflation ohne Öl

Die Energiewende rechnet sich

Verdammt, alles wird immer teurer. Die Miete, die Bahn, Zigaretten sowieso. Das nennt man Inflation – ein wirtschaftlicher Mechanismus, der kaum totzukriegen ist, dessen Wirkung sich in Deutschland aber seit Jahrzehnten sehr im Rahmen hält. Eigentlich haben wir keinen Grund, uns über die steigenden Preise zu beschweren. Denn die Löhne klettern ja auch – wenigstens manchmal, gegenwärtig zum Beispiel. Und wenn sie es nicht tun, liegt dies auch an politischen Zuständen, die man beeinflussen kann.  

Zunächst ist es deshalb keine schlechte Nachricht, wenn auch Energie teurer wird. Diese Entwicklung ist schlicht normal. Der Preis für Haushaltsstrom stieg zwischen 1991 und 2009 um rund 30 Prozent – in etwa so stark wie die gesamten Lebenshaltungskosten. Entgegen mancher interessengeleiteter Hiobsbotschaft ist der Strompreis bei uns noch kein Wohlstandskiller.

Trotzdem bleibt richtig, dass die Energiewende zum Kostenanstieg der Elektrizität beiträgt. Irgendwer muss ja schließlich die Investitionen in Windparks, Solaranlagen, Stromtrassen und Elektroauto-Forschung bezahlen. Politik, Produzenten, Lieferanten und Verteiler legen diese Ausgaben auf den Strompreis um, der dadurch wächst.

Wo aber liegt die wirkliche Herausforderung? Wie wird Strom heute im wesentlichen erzeugt? Immer noch überwiegend mit Hilfe fossiler Rohstoffe, Erdgas beispielsweise. Industriell genutztes Erdgas aber ist seit 1991 mehr als doppelt so teuer geworden.

Und das ist noch wenig, betrachtet man das Erdöl. Autofahrer zahlten 2009 den doppelten Preis im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre. Heute ist es bereits der dreifache. Die Benzinpreis-Inflation innerhalb von 20 Jahren beträgt damit 200 Prozent. Ein Ende ist zudem nicht abzusehen. Schätzungsweise wird fossile Energie noch viel kostspieliger. Der weltweite Verbrauch nimmt zu, die Menschen in aufstrebenden Staaten wie China und Indien benötigen eher mehr Treibstoff als weniger – trotz aller Debatten über Klimaschutz. Bald können die bekannten Lagerstätten die Nachfrage nicht mehr befriedigen, schwerer und teurer auszubeutende Quellen müssen sie ergänzen. Daher kommt der Druck, in immer größere Tiefen unter dem Meer vorzustoßen und irrwitzige Umweltzerstörungen beim Abbau von Ölsand in Kanada einzukalkulieren.

Sitzen wir also in der Kohle-, Gas- und Ölpreisfalle? Werden wir in zehn oder 20 Jahren auf viele Annehmlichkeiten verzichten müssen, um uns die hohen Energiepreise überhaupt noch leisten zu können? Der Urlaub fällt aus, das Auto wird abgeschafft, eine neue Spülmaschine ist nicht drin, damit wir wenigstens kochen und das Wohnzimmer heizen können?

USA-Experte Josef Braml schreibt in seinem neuen Buch „Der amerikanische Patient“, dass so etwas kein unrealistisches Horroszenario ist. Im Sommer 2008, kurz vor dem Kollaps der Lehman-Bank erreichte der Ölpreis einen Rekordwert, argumentiert Braml. Weil sie auf Mobilität, Autofahren und teures Benzin angewiesen waren, hätten sich viele US-Arbeitnehmer notgedrungen dafür entschieden, die Kreditraten für ihre Häuser zu stornieren – laut Braml ein Grund für den Zusammenbruch des Immobilien- und schließlich des Finanzmarktes.  

So weit muss es in Deutschland nicht kommen. Der Trick heißt „Energiewende“. Auch die kostet uns heute zwar Milliarden Euro für Windräder, Leitungen, Sonnenzellen und Elektroautos. Aber das sind Investitionen, mit denen wir morgen Geld sparen. Denn irgendwann zwischen 2020 und 2030 kommt vermutlich der Zeitpunkt, ab dem das neue Energiesystem billiger ist als das alte.

Der Grund: Wind und Sonne stehen im Prinzip unbegrenzt zur Verfügung. Der Rohstoff des neuen Energiesystems ist zugänglicher und damit billiger nutzbar als der in den Gesteinsschichten der Erde verborgene Vorrat an Kohle, Gas und Erdöl. Während der Preis der fossilen Ressourcen durch die Decke gehen könnte, hätten wir rechtzeitg vorgesorgt. Die Energiewende ist eine Investition in unseren künftigen Wohlstand.

Zwar gilt der schöne Satz: Das Problem an Prognosen ist die Zukunft. Heute weiß man nicht, wie sich die Preise für unterschiedliche Energieträger künftig entwickeln. Die Annahme, dass wir mit der Energiewende auf der günstigen Seite sind, beruht deshalb nur auf Erfahrung und Wahrscheinlichkeit, nicht auf Sicherheit. Und klar ist auch: Inflation wird es vermutlich immer wieder geben, auch die Kosten erneuerbarer Energien bilden dabei keine Ausnahme. Aber wir können den Versuch unternehmen, der Superinflation des fossilen Systems zu entkommen.