Leere Versprechungen

Kommentar zur europäischen Ratingagentur von Hannes Koch

Wer Politik machen will, muss die Dinge bei Gelegenheit selbst in die Hand nehmen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die Bundesregierung sind dazu aber nicht bereit – wieder einmal. Obwohl die Gründung einer europäischen Ratingagentur am Desinteresse auch der deutschen Banken, Versicherungen und Fonds zu scheitern droht, belässt es Schäuble bei Appellen an die privaten Marktteilnehmer.

Dabei wäre es wichtig, wenn die Regierung nun die Initiative übernähme. Schäuble selbst hält eine europäische Ratingagentur ja für sinnvoll. Sie könnte ein Gegengewicht bilden zu den drei marktbeherrschenden Firmen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch. Diese tragen nicht nur eine Mitverantwortung für die Finanzkrise, weil sie bestimmte Wertpapiere in den vergangenen Jahren systematisch falsch benoteten. Indem sie außerdem die Staatsanleihen europäischer Staaten zu fragwürdigen Zeitpunkten herabstuften, verschärften sie die Schuldenkrise mehr als nötig.

Marktkonformer wäre es zwar, wenn eine europäische Bewertungsfirma aus privatem Antrieb entstünde. Bei den Investoren und Fondsmanagern genösse sie dann vermutlich einen besseren Ruf der Unabhängigkeit. Dagegen müsste sich eine unter staatlicher Mitwirkung gegründete Ratingagentur des Vorwurfs erwehren, parteiisch im Sinne der verschuldeten Euro-Staaten zu urteilen. Wenn die Privaten allerdings, wie es sich jetzt abzeichnet, das Geld für die Agentur selbst nicht aufbringen wollen, sollte die Regierung aktiv werden. Eine öffentlich gegründete Agentur muss im Übrigen nicht öffentlich bleiben – man kann sie nach einer Startphase auch privatisieren.

Im fünften Jahr nach Beginn der Finanz- und Schuldenkrise fällt die Bilanz der Regierung zunehmend mager aus. Nicht nur die Ratingagentur scheint auf der Strecke zu bleiben. Schlecht sieht es auch aus für die Einführung der Finanztransaktionssteuer und eines ausreichenden Reservekapitals bei Banken. Viel war die Rede von der Regulierung der Finanzmärkte. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte gar das Primat der Politik über die Märkte wiederherstellen, um einer neuen Krise vorzubeugen. Wer so etwas will, muss es im Konfliktfall auch durchsetzen. Sonst bleiben nur leere Versprechungen.