Manche Kommunen werben mit geldwerten Vorteilen um Zuzügler
Fein sanierte Jugendstilhäuser und ein nahezu intakter historische Kern zeichnen die sächsische Stadt Görlitz aus. Besucher staunen über das vielleicht schönste Gebäudeensemble Deutschlands. Und doch will kaum jemand dauerhaft hier bleiben, trotz günstiger Mieten und einer reizvollen Umgebung. Zu DDR-Zeiten lebten hier rund 80.000 Einwohner, derzeit sind es noch 55.000. Wie in vielen Kommunen der neuen Länder folgten die Bürger den Arbeitsplätzen und wanderten ab. Nun will die Stadt den Trend umkehren. Anfang November wird Oberbürgermeister Siegfried Deinege ein „Begrüßungspaket“ vorstellen. Die Details sind noch geheim, aber es geht um Vergünstigungen für Neubürger beim Wohnen, der Energieversorgung und dem Nahverkehr. „Schön, dass Sie da sind“, lautet das Motto der Kampagne, die neue Einwohner mit geldwerten Vorteilen an die Neisse locken soll.
Auch die sächsische Großstadt Chemnitz wirbt massiv um den Zuzug von Pendlern. Sechs Monate lang erlässt die städtische Wohnungsbaugesellschaft Neumietern die Grundmiete. Es gibt günstige Konditionen beim Stromversorger, einen Nachlass beim Zeitungsabo und Rabatte bei Eintrittskarten. Insgesamt bringt die „Chemnitz-Card“ Zuwanderern Vorteile von bis zu 4.000 Euro. „Das spricht Pendler an“, sagt der Sprecher der Wohnungsgesellschaft GGG, Erik Escher. Der Erfolg der seit Anfang des Jahres laufenden Werbeaktion übertreffe alle Erwartungen. 231 Vertragsabschlüsse habe es bislang gegeben. Das hat Chemnitz auch bitter nötig. Von einst 315000 Einwohner haben sich mehr als 70.000 davon gemacht. 11.000 Wohnungen hat allein die GGG wieder abgerissen, weil sie nicht mehr benötigt werden.
Es sind vor allem strukturschwache Kommunen, die zu derlei Werbeaktionen neigen. Am Erfolg zweifelt das Deutsche Institut für Urbanistik (difu). „Die Modelle sind vermutlich nicht durchgerechnet“, glaubt difu-Expertin Beate Hollbach-Grömig. Mit Probewohnen oder kostenlosem Nahverkehr lasse sich der gigantische Leerstand der Wohnungen nicht nachhaltig bekämpfen. Doch es sind nicht nur die wirtschaftlich schwachen Ostgemeinden, die um Zuzug buhlen. So kaufte die Stadtverwaltung im hessischen Taunusstein 2011 Adressen von Wiesbadener Bürgern, die per Brief zum Umzug in die kleinere Stadt bewegt werden sollten.
Hollbach-Grömig rechnet nicht damit, dass sich die von Abwanderung bedrohten Gemeinden jetzt einen massiven Konkurrenzkampf um Einwohner liefern. „Seit dem letzten Jahr relativiert sich das Problem etwas, weil wir wieder Zuwanderung haben“, erläutert sie. So kommen zum Beispiel aus den Krisenländern der EU jungen Menschen nach Deutschland. Die meisten Städte und Gemeinden setzen ohnehin bei der Werbung für sich selbst auf harte und weiche Standortfaktoren. Sie stellen Bauland bereit, sorgen für eine möglichst gute Infrastrukturausstattung oder fördern die Wirtschaft so gut es ihr Haushalt zulässt. Mit Geld oder geldwerten Vorteilen versüßen allerdings einige Hochschulstandorte den Studenten den Umzug aus der elterlichen Umgebung an den Studienort. Denn jeder Neuankömmling ist für die Kommune bares Geld wert, weil sich die finanziellen Zuweisungen an der Einwohnerzahl orientieren.