Serie "Familie und Wirtschaft" Teil 5
Den kleinen Sohn betreuen und trotzdem weiter den Beruf ausüben – diese Kombination war für Industriemechaniker Holger Hönig möglich. Mit seinem Arbeitgeber, der metallverarbeitenden Firma Rasselstein GmbH im rheinland-pfälzischen Andernach, vereinbarte er ein ausgeklügeltes Teilzeitmodell. Drei Werktage blieb er zu Hause, an zwei Tagen arbeitete er während der Frühschicht im Betrieb.
Der Vorteil lag auf beiden Seiten. Hönigs ebenfalls berufstätige Frau ging weiter ihrer Arbeit nach. Dank der Teilzeittätigkeit bei Rasselstein konnte die Familie ihr gleichberechtigtes Lebensmodell fortführen. Aber auch die Firma profitierte: Mechaniker Hönig stand mit seinem Wissen weiter zur Verfügung. Die teure Einarbeitung eines Ersatzmannes war nicht notwendig.
Gegen viele Widerstände gewinnen solche Arbeits- und Lebensmodelle allmählich mehr Raum. Dabei gehören Unternehmen wie Rasselstein noch einer Minderheit an. Bildungssoziologin Jutta Allmendinger, die Leiterin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, fordert die Unternehmen auf, mehr „Durchlässigkeit zwischen Arbeit und Familie zu ermöglichen“.
Die Zahl und Vielfalt der neuen Arbeitszeitmodelle ist schon heute unüberschaubar. Manche Unternehmen gestatten ihren Beschäftigten beispielsweise, regelmäßig einige Tage pro Woche zu Hause zu arbeiten, andere sorgen dafür, dass den Angestellten Kita-Plätze für den Nachwuchs zur Verfügung stehen. Eine weitere Variante besteht darin, längere Auszeiten mit Rückkehrrecht zu vereinbaren, wenn Mitarbeiter Zeit für Erholung, Fortbildung oder die Pflege der sterbenden Eltern brauchen.
Früher waren die Sphären Arbeit und Familie weitgehend voneinander getrennt. Nun beginnen sie sich gegenseitig zu durchdringen. Die Ursachen liegen sowohl in der Wirtschaft, als auch im modernen Familienleben. „Einerseits erwarten die Unternehmen mehr Flexibilität von ihren Beschäftigten“, sagt Joachim Sauer, der Präsident des Bundesverbandes der Personalmanager. Das hat unter anderem damit zu tun, dass manche Firma weltweit in mehreren Zeitzonen arbeitet. Im Dienstleistungssektor kommen die Ansprüche der Kunden hinzu, die ihre Lieferanten rund um die Uhr erreichen wollen.
„Andererseits wünschen sich in modernen Familien beide Lebenspartner oft beides – berufliche Karriere sowie gleichberechtigte Anteile an der Erziehung der Kinder“, so Sauer. Weil diese Tendenzen aus Wirtschaft und Gesellschaft aufeinandertreffen, entsteht unweigerlich ein zusätzlicher Koordinationsaufwand, ein Bedarf an neuen Modellen der Kombination.
Dabei ist die Bedeutung des Themas „Familienfreundlichkeit“ noch nicht überall angekommen. Informationen des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge hielt 2010 rund ein Drittel der hiesigen Spitzenkräfte solche Überlegungen für unwichtig. Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes von 2011 zeigt hingegen die Vorteile für Unternehmen. Demnach rechnet es sich im Vergleich zu Neueinstellungen in der Regel, wenn erfahrene Mitarbeiter dank innovativer Arbeitszeitmodelle in der Firma bleiben – wie im Falle der Firma Rasselstein.