Spenden, aber richtig

Selten zuvor haben die Deutschen soviel gespendet wie in diesem Jahr. Vor allem den vielen Flüchtlingen wollen die Menschen helfen. Etliche neue Vereine habe sich in den vergangenen Monaten gegründet. Worauf beim Spenden zu achten ist.

Wer in diesen Tagen versucht per Telefon beim Berliner Verein „Moabit hilft“ durchzukommen, muss geduldig sein. Die Hotline ist ständig belegt, die Helfer im Dauereinsatz. Zeit Anrufe zu beantworten oder die Webseite zu pflegen, bleibt den Ehrenamtlichen kaum. Die Arbeit mit den Flüchtlingen geht vor. Täglich kommen neue Hilfsbedürftige nach Berlin. Sie brauchen Kleidung und Essen, Trost und ein offenes Ohr auf die Frage, wie es weiter gehen soll.

Damit die Hilfe anhält, sind Vereine wie „Moabit hilft“ und viele andere auf Unterstützung aus der Bevölkerung angewiesen, vor allem auf ihre Spenden. Bei der Fülle an Angeboten ist es für Geber aber nicht leicht zu entscheiden, wer ihr Geld bekommen soll. Was zählt ist, Vertrauen in die Organisation und die Transparenz, wofür die Mittel verwendet werden. „Ein Besuch vor Ort lohnt sich, wenn sowieso eine Sachspende oder persönliche Unterstützung geplant ist“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI).

Das Institut vergibt eines der bekanntesten und ältesten Spendensiegel für gemeinnützige Organisationen in Deutschland. Um das Gütezeichen zu erlangen, werden sieben Standards geprüft. Dazu zählt etwa die Leitungsstruktur der Organisation. Auch die Vergütung für den Vorstand oder die Geschäftsführung spielt eine große Rolle. Ein weiterer Punkt ist die Art und Weise, wie die Initiativen um Spenden werben. Viele Organisationen versuchen mit Druck an mehr Geld zu kommen: Ein roter Stempel mit dem Hinweis „Dringend! Spenden Sie noch heute“ kombiniert mit einer mehrmaligen persönlichen Anrede und großformatigen Bildern von traurigen, armen Kindern soll die Geber motivieren. „Werbung darf nicht irreführend und schon gar nicht wahrheitswidrig sein“, sagt Wilke. „Die Spender dürfen sich nicht unter Druck gesetzt fühlen.“

Das Institut verweigert Bewerbern auch das Siegel. Meist geht es um mangelnde Aufsicht, um zu emotionalisierte Werbung, aber immer wieder um fehlende Transparenz, was die eigene Arbeit angeht. „Mehr Schein als Sein bei einer Organisation, das sehen wir leider immer wieder“, sagt Wilke.

Das Siegel kann man allerdings erst dann beantragen, wenn die Organisation mindestens zwei Jahre besteht. Damit kommt es für die neuen Initiativen nicht in Frage. Anzeichen dafür, dass sich windige Geschäftemacher die hohe Spendenbereitschaft der Bevölkerung für die Flüchtlinge zunutze machen, hat Wilke bisher nicht. „Bei den kleinen Initiativen vor Ort kann man ja selbst genau hinschauen“, sagt der DZI-Geschäftsführer. „Blender würden auf lokaler Ebene sehr schnell auffliegen.“

In Deutschland gibt es derzeit rund 600.000 gemeinnützige Organisationen. „Vertrauen ist die entscheidende Währung“, sagt Andreas Rickert, Geschäftsführer des Beratungs- und Analysehauses Phineo. „Jeder Spender muss sich genau überlegen, wen oder was er unterstützen will.“ Am Beispiel der Flüchtlingshilfe heißt das: Soll das Geld in die Nothilfe fließen? Will ich die Integration fördern? Oder geht es um die Rahmenbedingungen, also etwa um Hilfen für Projekte gegen Rechts? „Wenn man sich des eigenen Anliegens bewusst ist, kann man gezielt nach Angeboten suchen“, sagt Rickert. Er rät dazu, sich die Aktivitäten der Organisationen näher anzuschauen, Webseiten zu durchforsten oder sich bei Nachbarn und Freunden nach Vereinen zu erkundigen. Allerdings weiß auch Rickert, dass die vielen jungen Organisationen oft noch keine Zeit hatten, sich um die Öffentlichkeitsarbeit zu kümmern. „Hier ist Nachsicht gefragt“, sagt er.

Auch Phineo vergibt ein Gütezeichen. Die Experten untersuchen vor allem die Wirkung der Projekte. Rund 15 Monate beschäftigten sich die Mitarbeiter mit einem Fall bis das sogenannte „Wirkt“-Siegel erteilt wird. Die Analysten sichten Unterlagen, besuchen die Organisation vor Ort. Die Teilnahme ist kostenlos. Bezahlt wird Phineo von verschiedenen Förderern, darunter die Bertelsmann Stiftung oder die Gruppe Deutsche Börse. „Das gemeinnützige Engagement in Deutschland gleicht einer Black Box“, sagt Rickert. Für ihn herrscht bei vielen Initiativen noch wenig Verständnis darüber, wie wichtig Transparenz über ihre Arbeit und deren Wirkung für die Geber ist. Eine staatliche Verpflichtung könnte mindestens Eckdaten über die Finanzen, die Entscheider und die Ziele der Hilfsprojekte einfordern. „Jedes kleine oder mittelständische Unternehmen hat eine größere Publizitätspflicht als eine gemeinnützige Organisation“, sagt Rickert. „Das ist schon bemerkenswert.“

Ähnlich sieht das Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency International Deutschland. „Wir brauchen mehr Prüfung und mehr Nachvollziehbarkeit über die Herkunft und die Verwendung der Gelder von Vereinen“, sagt Mertens. Sie plädiert dafür, langfristig verbindliche Regelungen für Vereine einzuführen. „So könnte man sehen, wer steckt hinter den Organisationen, wohin fließt das Geld und was sind die Ziele der Projekte.“

Vereine können sich freiwillig der Initiative Transparente Zivilgesellschaft von Transparency International anschließen. Bisher sind es rund 700 Organisationen, die unterschrieben haben. Für das Logo sind nur wenige Daten notwendig, die dem Verbraucher aber dennoch mehr Informationen über die Organisationen geben. Zu den zehn Punkten zählt etwa die Führungsstruktur. Für Mertens ist die Transparenzoffensive auch eine Chance für die neuen Flüchtlingsprojekte – und damit auch für Initiativen wie „Moabit hilft“.