Wie Verbraucher profitieren können
Strom verbrauchen und Geld dazubekommen? Im vergangenen Jahr war das in Deutschland an mehreren Tagen möglich. Stundenweise war der Preis negativ. Das Phänomen hat mit der Energiewende zu tun. Verbraucher können profitieren.
Was sind negative Strompreise?
Normalerweise kostet es Geld, eine Kilowattstunde Strom zu verbrauchen. Es kann sein, dass der Preis ins Negative dreht, wenn das Angebot größer als die Nachfrage ist. Tatsächlich bekommt jemand dann Geld dafür, eine Kilowattstunde abzunehmen. Der Effekt tritt an der Strombörse auf, an der ein Teil des deutschen Stroms gehandelt wird – am Spotmarkt, an dem zur Sekunde Strom gehandelt wird, und am Day-Ahead-Markt, auf dem es um Strom für den nächsten Tag geht.
Wie entstehen negative Strompreise?
Negative Strompreise sind eine Folge des veränderten Marktes und Strommixes in Deutschland. Als Strom vor allem aus konventionellen Kraftwerken stammte, wurde so viel erzeugt, wie die Kunden brauchten. Zu Spitzenzeiten liefen Gas- und Kohlekraftwerke mehr, in Nebenzeiten weniger. 2023 stammten 54,1 Prozent des Stroms nach Zahlen des Verbands BDEW aus erneuerbaren Quellen. Vor allem Wind- und Solaranlagen liefern, wenn es ausreichend weht und die Sonne scheint. Das sind nicht unbedingt Zeiten, in denen viel verbraucht wird. Dann kann das Angebot von Strom größer sein als die Nachfrage.
Wie oft treten negative Strompreise auf?
Noch sind die Preise am Spotmarkt nicht dauerhaft, sondern stundenweise im Minus, mal um ein paar Cent, mal etwas mehr. Es gibt auch Ausreißer: „Im vergangenen Jahr hatten wir kurzzeitig einen Preis von minus 50 Cent je Kilowattstunde am Day-Ahead-Markt“, sagt Merlin Lauenburg, Managing Director beim Stromanbieter Tibber Deutschland. Er erwartet: „Negative Strompreise in Deutschland werden mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zunehmen.“ Auf jeden Fall werden die Strompreise stärker schwanken.
Welche Probleme bereiten schwankende Strompreise?
Negative wie auch niedrige Strompreise am Spotmarkt kosten Geld, im Zweifel alle Stromkunden. Wenn viel billiger Windstrom in Norddeutschland ins Netz kommt, nimmt möglicherweise jemand in Süddeutschland eine große Menge Strom ab. Das Übertragungsnetz reicht oft nicht für den Transport. Also muss ein teureres regionales Gaskraftwerk im Süden mehr teuren Strom liefern. Die Preisdifferenz tragen alle Stromkunden über die Netzentgelte.
Was lässt sich tun?
Das besonders belastete Stromnetz muss ausgebaut werden, vor allem die großen Nord-Süd-Trassen. Deutschland benötigt mehr Möglichkeiten, Strom zu speichern – zum Beispiel in großen Batterien. Oder mit dem Strom wird Wasserstoff hergestellt, mit dem sich wieder Strom erzeugen lässt. Batterien und Wasserstoff sind aber noch nicht im industriellen Maßstab praxistauglich. Und Deutschland benötigt mehr Flexibilität. So könnten Kunden Strom nutzen, wenn er günstig ist. Dafür müssten sie aber ihren Verbrauch und die Preise genau kennen.
Kann ich von schwankenden Strompreisen profitieren?
Im Prinzip ja. Nötig ist dafür mindestens eine moderne Messeinrichtung mit Digitaldisplay, besser ein Smartmeter, ein moderner digitaler Stromzähler. Er liefert den genauen Verbrauch. Versorger können dann dynamische Tarife anbieten, die sich zum Beispiel nach den Preisen am Day-Ahead-Markt der Börse richtet. Über ein Programm im Computer oder dem Smartphone ließe sich dann etwa die Waschmaschine anschalten oder das E-Auto laden, wenn der Strom günstig ist – automatisch. „Zu bestimmten Zeiten am Tag ist der Strom in einem dynamischen Tarif sicher teurer als bei einem Tarif mit fixen Preisen, zu anderen Zeiten ist er günstiger. Im Schnitt liegt er dank Verbrauchssteuerung niedriger, auch aufs Jahr gerechnet“, sagt Lauenburg von Tibber. Das Unternehmen hat in Norwegen und Schweden bereits Erfahrung gesammelt. Dort sind praktisch alle Haushalte mit einem Smartmeter ausgestattet. In Deutschland sind es ein Prozent. 2025 soll der große Rollout beginnen.
Mein Stromvertrag sieht einen festen Strompreis vor. Wie betreffen mich schwankende Strompreise?
Zunächst einmal nicht. Die meisten Stromversorger bieten feste Preise je Kilowattstunde an. Dafür kaufen sie den Strom meist über länger laufende Verträge bei den Erzeugern ein oder erzeugen selbst. Nur etwa ein Viertel des Stroms wird über die Strombörse am Spotmarkt gehandelt. Täglich schwankende Preise gleicht der Stromversorger dann selbst aus, der Kunde merkt nichts.