In Österreich laufen erste Wasserstoffprojekte
So sieht also ein Industrievorzeigeprojekt aus. Weißer Kies auf 30 mal 50 Metern, einige weiße Container, ein Zaun. Drumherum wogt sanft Weizen, dahinten steht ein Storch. Der Blick ginge bis zu den Alpen, regnete es nicht gerade. Stefan Bauer zeigt auf die Container: links der Elektrolyseur, der Wasserstoff erzeugen soll; in der Mitte der Verdichter, der den Druck des Gas erhöht; und etwa 1000 Meter unter der Oberfläche der Gasspeicher, randvoll mit Wasserstoff. „Und da drüben geht die Pipeline raus“, sagt er.
Bauer leitet den Bereich Green Gas Technology bei RAG Austria. Das Unternehmen, früher zuständig für Gas- und Ölförderung in Österreich, betreibt derzeit zehn ehemalige Gaslagerstätten als Speicher, darunter diesen hier in Rubensdorf, gut 40 Kilometer nordöstlich von Salzburg, an dem Bauer gerade steht. Und es ist weltweit vorn dabei, wenn es um Wasserstoff geht. Das Gas soll die Energiewende vor allem in der Industrie befeuern. Es verbrennt CO2-frei, könnte also fossiles Gas oder Öl ersetzen.
Weltweit arbeiten deshalb Regierungen und Unternehmen daran, auf Wasserstoff umzustellen. Passiert ist aber bisher wenig. Die Bundesregierung etwa hat eine nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Die Industrie will Deutschland mit einem Netz besonderer Pipelines überziehen. Sehr viel Papier, sehr viele Ideen, bisher wenig Konkretes. Unklar ist vor allem, wo die riesigen Mengen Wasserstoff herkommen sollen, die nötig sind.
Wer Projekte im Industriemaßstab sehen möchte, muss derzeit nach Oberösterreich, wie Timm Kehler, Chef des deutschen Gasverbands Zukunft Gas, sagt. „Wir haben da eine Führungsrolle weltweit“, formuliert es Bauer, während sanft der Regen auf Felder und Container rieselt. Delegationen aus aller Welt waren bereits hier, um sich die Anlage anzusehen.
Bereits seit 2013 beschäftigt sich RAG Austria intensiv mit Wasserstoff. Im Sommer stehe sehr viel Solarstrom bereit, es werde aber wenig Strom gebraucht. Im Winter gebe es viel Bedarf, aber wenig Angebot, sagt Firmenchef Markus Mitteregger. „Wir brauchen den Wasserstoff also, um die Energie aus dem Sommer zu speichern.“ Und deshalb forscht sein Unternehmen jetzt an der CO2-freien Zukunft. Die Idee des Projekts: Der Elektrolyseur nutzt den Solarstrom, um aus Wasser Wasserstoff und Sauerstoff herzustellen. Der Wasserstoff wird im porösen Sandstein gespeichert und bei Bedarf in Strom und Wärme gewandelt.
Die Pipeline verläuft acht Kilometern unter Feldern hindurch und mündet im RAG-Standort Puchkirchen praktisch in einen weiteren Standardcontainer, diesmal in grau. Im Innern schimmert ein riesiger Zwölf-Zylinder-Motor nebst Generator. Die Anlage, die Wasserstoff verbrennt, hat ein Megawatt Leistung, in dieser Größe einzigartig in Europa, wie Andreas Kunz sagt, Technikvorstand des österreichischen Motorenbauers Innio. Ein weiteres dieser Blockheizkraftwerke steht in Südkorea. Läuft es eine Stunde, könnte es ein Mehrfamilienhaus drei Monate mit Strom und Wärme versorgen.
Rund 15 Millionen Euro staatliches Fördergeld sind bisher in das Projekt geflossen, vor allem um zu klären, wie gut sich das Gas im Boden speichern lässt. Inzwischen fördert die EU das Projekt bis 2029. In den nächsten Wochen sollen auch der Elektrolyseur, der Wasserstoff aus Wasser gewinnt, und Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen werden. Und dann wird getestet, ob sich die Idee als praxistauglich erweist.
44 Kilometer Luftlinie experimentiert RAG Austria mit einer anderen Art, Wasserstoff zu erzeugen: Methan-Pyrolyse. Jens Hanke öffnet die Front eines – weißen – Containers. Darin liegen zwei silbrige Zylinder übereinander, Magnetspulen, jede Menge Rohre – zwei Plasmalyseure. Im Container neben an ist noch ein dritter eingebaut. „Die Anlage ist weltweit einmalig“, sagt Hanke, Chef der Berliner Ingenieursfirma Graforce, die die Geräte entwickelt hat. Sie spalten Erdgas – Methan – mittels Lichtbogen in Wasserstoff und Kohlenstoff.
Die weißen Container stehen in Krift bei Kremsmünster. Ein leichter Ölgeruch erinnert daran, dass das hier ein Ölstandort von RAG Austria ist. Rundherum fangen Solarflächen Sonne ein. Mit dem Strom wird in den Reaktoren ein Lichtbogen oder Plasma erzeugt. Dadurch wird das Erdgas geblasen, dass dann zerfällt. Vier Kilogramm Methan bringen ein Kilo Wasserstoff und drei Kilo Kohlenstoff. Insgesamt schafft die Anlage 50 Kilo Wasserstoff pro Stunde. Das Gas läuft über eine Leitung zum Blockheizkraftwerk, einem weiteren Container, etwa 200 Meter entfernt, das Strom und Wärme für den Standort liefert.
Die Anlage läuft seit Ende September 2023. Der harte Testbetrieb soll in wenigen Wochen beginnen. Die RAG Austria freut sich bereits jetzt über internationales Interesse. Gerade war eine Delegation aus Thailand da und hat sich den Plasmalyseur zeigen lassen.
Und der Kohlenstoff? Das schwarze Pulver wird per Lastwagen abtransportiert. RAG Austria arbeitet mit einem Düngerhersteller zusammen. „Kohlenstoff“, sagt Markus Krainz, Leiter RAG Energy Valley und verantwortlich für das Projekt, „kann die Qualität eines Bodens deutlich verbessern.“ Auch Zement- und Stahlindustrie hätten Interesse an dem schwarzen Material bekundet. „Ob sich das durchsetzt“, sagt Krainz, „wird in zehn Jahren der Markt entscheiden.“ Aber sie sind ziemlich zuversichtlich.