Space Forge entwickelt Fabriken für den Weltraum
Es klingt wie aus einem Science-Fiction-Roman: Fabriken, die bei Bedarf ins All geschossen werden und nach der Produktion wieder zurückkehren. Doch ein Unternehmen aus dem walisischen Cardiff arbeitet genau daran. Internationale Investoren gibt es, erste Kunden ebenfalls. Die Technologie könnte zum Beispiel die Fertigung von Computerchips revolutionieren.
Der Anspruch ist, wie so vieles, was mit dem Weltraum zu tun hat, sehr groß: „Space Forge ist auf einer Mission, das All für die Menschheit arbeiten zu lassen, in dem es die Kraft der Schwerelosigkeit nutzt“, heißt es vom Unternehmen, dessen Name so viel wie Schmiede im All bedeutet. Es geht darum, „neuartige Materialien der nächsten Generation herzustellen, die Grenzen des Möglichen zu verschieben und neue Industriestandards zu setzen“.
Die Waliser sind Teil des so genannten New Space, Privatfirmen, die Geschäft im All machen wollen. Der Weltraum entwickelt sich zum Multimilliarden-Markt. Da gibt es Raketenentwickler wie die deutschen Firmen Isar Aerospace und bei München und RFA aus Augsburg oder den US-Konzern SpaceX. Die Amerikaner betreiben Starlink, ein Netz von Satelliten, das Internet rund um die Welt bringt. Satelliten sind auch wichtig für Erdbeobachtung, autonomes Fahren, optimierte Landwirtschaft. Und eben Produktion.
Der Weltraum bietet einige Bedingungen, die auf der Erde so nur sehr teuer erzeugt werden können oder schlicht unmöglich sind. Interessant ist das, um etwa superfeine Wafer für Computerchips herzustellen. Hier stoßen die irdischen Hersteller an Grenzen. Da ist zum Beispiel das Vakuum, weshalb es im All praktisch keine Gefahr gibt, dass Produktionsteile mit Staub verunreinigt werden. Weil der Druck so niedrig ist, lässt sich schneller fertigen. In der Schwerelosigkeit bilden sich Kristalle in perfekter Form, Metalle lassen sich ideal verschmelzen. Und wegen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt härten Produkte schneller aus.
Warum also nicht eine mehrfach verwendbare Minifabrik entwickeln, die im All automatisch nach einem vorgegebenen Plan produziert, fragten sich Joshua Western und Andrew Bacon. Sie kannten sich vom französisch-italienischen Konzern Thales Alenia Space. Beide hatten zuvor schon viel mit dem Weltraum zu tun. Western arbeitete etwa für die britische Raumfahrtagentur unter anderem am nationalen britischen Raumfahrtprogramm. Sie gründeten Space Forge 2018. Western ist Chef, Bacon verantwortlich für die Technologie.
Seither arbeiten sie an einem wiederverwendbaren Satelliten, in den je nach Bedarf einzelne „Fabrikmodule“ eingebaut werden. Die richtet das Unternehmen danach ein, was ein Kunde herstellen möchte. Der Satellit wird per Rakete ins All geschossen, fliegt dann um die Erde, während im Innern vollautomatisch etwa Chips hergestellt werden. Ist die Produktion beendet, kommt der Satellit wieder zur Erde zurück. Soweit der Plan.
Echte Testproduktion im All gab es bisher noch nicht. Einmal waren sie schon nah dran: Forgestar-0, die Testschmiede, sollte im Januar 2023 mit der britischen Firma Virgin Orbit vom Spaceport im britischen Cornwall starten. Es wäre der erste Flug ins All von britischem Boden aus gewesen. Doch der Start scheiterte. Forgestar-0 hätte in 555 Kilometern Höhe zeigen sollen, was er kann. Die internationale Raumstation ISS umrundet die Erde in gut 420 Kilometern Höhe. Die Waliser bauen gerade am Nachfolger des verlorengegangenen Satelliten. Forgestar-1 soll zehn Mal größer sein und etwa das Format einer Waschmaschine haben. Der Start ist für das kommende Jahr geplant.
Etwas erfolgreicher war Konkurrent Varda Space Industries aus Kalifornien. Die Amerikaner, gegründet 2020 von ehemaligen Mitarbeitern des Raumfahrtunternehmens SpaceX, konnten im Sommer 2023 eine Minifabrik für Medikamente ins All schießen, die seit diesem Frühjahr zurück ist. Hergestellt werden sollte ein Medikament, das gegen HIV verwendet wird. Auch die US-Raumfahrtbehörde Nasa unterstützt Firmen, die sich mit Produktion im Weltraum beschäftigt.
Geld verdient Space Forge bereits jetzt. Das Unternehmen entwickelt im Kundenauftrag und verkauft bereits spezielle Halbleiterwafer, die Basis für Chipproduktion. Später können Kunden Platz im Produktionssatelliten mieten. Die Kosten richten sich danach, was im All hergestellt werden soll und ob die Kunden den gesamten Satelliten oder nur einen Teil buchen. Erste Kunden gibt es, Namen will Space Forge derzeit nicht nennen.
Satellitenentwicklung ist teuer, Geld schwer zu bekommen – außer die Idee leuchtet direkt ein. Mehrere Investoren sehen jedenfalls großes Potenzial. Im Oktober 2023 sammelte Space Forge in einer ersten Finanzierungsrunde 10,2 Millionen Dollar (rund 9,2 Millionen Euro) ein – sehr üppig für ein europäisches Start-up. Zu den Geldgebern gehören unter anderem der World Fund aus Berlin, zahlreiche US-Finanzinvestoren und zwei US-Fonds, sowie Georg T. Whitesides, Chef des US-Raketenbauers The Spaceship Company, die zu Virgin Galactic des britischen Multimilliardärs Richard Branson gehört. Zuletzt kündigte der neue Nato-Innovationsfonds an, in Space Forge zu investieren.
Bleibt die Frage: Warum Wales? Abgesehen davon, dass die Entwicklungsbank des britischen Landesteils zu den ersten Investoren gehörte: In Cardiff und Newport forschen die Universitäten an neuen Materialien. Es sei zudem ein wundervoller Ort zum Leben und Arbeiten, erklärt Space Forge. Deshalb hat das Unternehmen auch keine Probleme, Fachkräfte zu finden. Außerdem ist die Küste nah. Irgendwo dort im Ostatlantik sollen die Satelliten des Unternehmens künftig wieder zur Erde zurückkehren.