Tencel, Ecovero, Lyocell – Jogginghosen, T-Shirts, Nachthemden aus diesen als Öko beworbenen Stoffen hängen immer öfter in den Läden. Sollte man zugreifen?
Ist es nur eine neue Masche? Der Kauf einer Sporthose, eines Kleides, einer Boxershorts ist kompliziert geworden. Früher erschien die Wahl, was man trägt, einfach. Die Schuhe waren zumeist aus Leder, der Pullover am liebsten aus Wolle, die Jogginghose oft aus Polyester.
Heutzutage zum Beispiel im Angebot: das „Ecovero-Holz-T-Shirt für den Mann“, das „Nachthemd in „Premium Cotton TENCEL™ Qualität“, die Lauftights aus „Lyocell“. Beworben werden die kompliziert benannten Stoffe als die bessere, ökologischere Alternative zu herkömmlicher Baumwolle oder Polyester und anderen Chemiefasern. Nur: Was ist da dran, steckt wirklich drin?
Wer die verwirrende Vielfalt auf den Etiketten sortieren will, landet schnell bei Benjamin Itter. Itter beobachtet, was sich bei innovativen Textilien tut – und welche Haken es dabei gibt. Es ist sein Job. Vor zwanzig Jahren hat er mit zwei Kollegen in Berlin Kreuzberg das Unternehmen Lebenskleidung gegründet. Seither handelt er mit Recyclingstoffen und ökologischen Naturfasern, verkauft sie an Öko-Modedesigner und kleinere Fair-Fashion-Modelabel. Er ist darum auf den großen Messen für Mode und Textilen in München, Berlin, London unterwegs und auf der Suche nach grünerem Stoff.
Der Markt ist, das wird im Gespräch mit Itter sofort klar, weniger vielfältig als die Kleideretiketten vermuten lassen. „Hinter Tencel und Ecovero steckt ein und dieselbe Firma – die Lenzing-Gruppe aus Österreich.“ Darüber hinaus gebe es von ihr auch noch einen Spezialstoff für Arbeits- und Schutzbekleidung mit dem Namen Lenzing.
Die Lenzing-Gruppe – rund 2,5 Millionen Euro Umsatz, 7900 Mitarbeitende – hat Werke in Österreich, Groß-Britannien, Tschechien, auch in Brasilien, den USA, China sowie in Indonesien und Thailand. Sie hat die Stoffe entwickelt, ihnen die Namen gegeben und sie dann als Marke schützen lassen.
Auf dem Schild eines Kleides, einer Hose und anderer Textilien kann aber auch dieser Name stehen: Lyocell. Das ist ähnlich wie bei Tempo und Taschentüchern oder Gore-Tex und wasserdichten Membranen: Tencel ist der Markenname, Lyocell die allgemeine Bezeichnung für die Faser. Diese können auch Konkurrenten in Asien und Indien herstellen, nicht nur die Lenzing-Gruppe allein. Sie setze nur, sagt Itter, „besonders strenge Nachhaltigkeitsstandards“.
Der Rohstoff ist bei allen der gleiche: Holz. Das kann Buche, Eukalyptus, Pinie, Birke, Esche, Ahorn, vieles sein. Aus ihm wird – ähnlich wie für Papier – in einem chemischem Verfahren Cellulose gewonnen wird. Die so entstandene Pulpe, wie Experten es nennen, wird durch feine Düsen gepresst. „Das ist vergleichbar mit einem Duschkopf“, erklärt Itter, „heraus kommen die Fasern, die dann versponnen werden.“ Am Ende entstehe eine „stabilere und umweltfreundlichere Alternative zu Viskose“.
Viskose – sie fällt mit glatter, leicht schimmernder Optik fließend und wird auch Rayon oder Kunstseide genannt – hat eine lange Tradition. 1892 wurde sie in England erfunden. Seither wird sie bereits aus Holz mit Hilfe von Chemikalien, Druck und Hitze gewonnen. Die reinen Chemiefasern, die auf Erdöl basieren, wurden erst später entwickelt. Dazu zählen Polyamid und das auch als Lycra bekannte Elastan, vor allem aber der mittlerweile häufigste Stoff für Kleidung, das Polyester. Diese Kunststoffe sind vergleichsweise günstig, stehen allerdings unter anderem deshalb in Verruf, weil sie bei der Wäsche Mikroplastik freisetzen, das die Meere verschmutzt.
Die Viskose zählt zwar nicht zu diesen vollends synthetischen Stoffen, ist aber auch nicht einfach natürlich. „Für sie werden große Mengen ätzende Schwefelsäure und Natronlauge eingesetzt“, so Itter, „bei herkömmlichen Verfahren kann das Abwasser hohe Schadstoffkonzentrationen enthalten, weshalb es aufwendig gereinigt werden muss.“ Das gelte auch für das in Unterwäsche beliebte herkömmliche Modal, eine Weiterentwicklung von Viskose aus Buchenholz, oder für Viskose aus schnell wachsendem Bambus, die oft als antibakteriell angepriesen werde.
Für Lyocell werde stattdessen immer ein organisches Lösungsmittel namens N-Methylmorpholin-N-oxid, kurz: NMMO, verwendet. Das könne sehr gut recycelt, also aufgefangen und wieder genutzt werden. So entstehe kaum Abwasser, sagt Itter. Die Lenzing-Gruppe habe dieses Verfahren für ihre Marke Tencel „weiter optimiert“, sie führe das Lösungsmittel zu fast 100 Prozent im Kreislauf. Zudem komme das Holz aus Wäldern, die nach den Standards FSC und PEFC kontrolliert nachhaltig wirtschafteten. Ecovero sei nochmal eine extra Sache, diese etwas billigeren Fasern würden nicht nach dem Lyocell-Verfahren produziert. Die Chemie sei eine andere, aber auch noch deutlich umweltfreundlicher als die für klassische Viskose.
Bleibt diese Frage: Sind diese Stoffe aus Holz besser als Baumwolle oder andere Naturfasern in Ökoqualität? „Das kommt darauf an, wofür sie gedacht sind. Baumwolle hat tolle Eigenschaften, ist hautfreundlich, atmungsaktiv. Und wenn Sie beim Kauf zum Beispiel auf das Gots-Label achten, ist ein hoher Ökostandard garantiert. Aber den Glanz und den Fall von Viskose bekommen Sie schwierig hin.“