Neue Gründerhauptstadt profitiert von Universität
Gute Nachrichten aus der deutschen Wirtschaft: Gründer glauben an den Standort und seine Zukunft. 2024 entstanden so viele neue Technologiefirmen wie seit langem nicht mehr. Der Boom künstlicher Intelligenz beflügelt, wie der Startup-Verband berichtet. Der größte Teil der jungen Unternehmen beschäftigt sich mit Software.
Insgesamt 2766 neue Technologiefirmen zählte der Verband, elf Prozent mehr als 2023 und zweitbester Wert, seit die Zahlen ermittelt werden. Die Zahl der Gründungen werten die Experten als Hinweis darauf, wie gut die Stimmung unter den Innovatoren ist, jenen, die an neuen Ideen arbeiten. Offenbar sehen viele die aktuelle Lage als Chance. „Krisenzeiten sind Gründungszeiten. Die aktuellen Zahlen sind ein starkes Signal für den Standort Deutschland“, sagt Helmut Schönenberger, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbands.
Die meisten neuen Firmen gab es 2024 in Bayern (538) vor Berlin (498), Nordrhein-Westfalen (494) und Baden-Württemberg (352). Doch die Zahlen täuschen etwas: Gegründet wird vor allem in großen Städten. So profitiert Bayern von der Region München. Außerhalb des Großraums passiert deutlich weniger. Ähnlich ist es in Baden-Württemberg. In nur sechs Städten und Kreisen entstanden jeweils 50 oder mehr Startups, insgesamt 38 Prozent aller Neugründungen. Absolut ganz vorn: Berlin (498), München (213), Hamburg (161), Köln (73) Landkreis München (58) und Frankfurt (51).
Das Gefälle zum Land ist riesig. In 354 der 400 deutschen Städte und Kreise sind jeweils weniger als zehn Technologiefirmen gegründet worden, wie der Startup-Verband ermittelt hat. Er vermutet, „dass noch große Potenziale jenseits der Hotspots zu heben sind.“ Wobei fraglich ist, ob sich Gründer ins niedersächsische Zeven, das sächsische Johanngeorgenstadt oder ins rheinland-pfälzische Daun locken lassen. Große Städte haben meist schon viele andere Gründer und Geldgeber, was Neulingen hilft. Außerdem bieten sie oft kulturell mehr und sind international besser angebunden.
Gründerhauptstadt ist in diesem Jahr Heidelberg. Auf 100.000 Einwohner gab es hier im vergangenen Jahr 13,5 neue Unternehmen. Die Gründer stammen vor allem aus dem Umfeld der Universitäten. Die Baden-Württemberger kletterten von Rang 5 an die Spitze und verwiesen München mit 13,4 auf Rang 2. Berlin liegt mit 13,2 auf Rang drei. Darmstadt, vergangenes Jahr auf Rang 3, rutschte auf Rang 5 ab. Neu unter den besonders gründungsfreudigen Städten ist Köln auf Rang 10.
Als Startups gelten Unternehmen, die bis zu acht Jahre alt sind, von Innovation und Technologie getrieben werden und vor allem schnell stark wachsen wollen. Klassische Handwerker werden deshalb nicht gezählt, auch wenn sie neu starten. Der Startup-Verband nutzt Daten von Startupdetector. Die Firma durchsucht Handelsregister nach Gründungen und bewertet sie. Etwa drei Prozent aller neuen Firmen entsprechen den Vorgaben: Der Wollladen ist raus, das Unternehmen mit Schulungssoftware fürs Mobiltelefon dabei.
Startups beginnen meist klein mit wenigen Beschäftigten. Viele scheitern, im vergangenen Jahr meldeten 336 Insolvenz an, 2023 waren es 286. Vor allem im Onlinehandel gaben viele auf. Andere Startups landen nach einiger Zeit bei größeren Konzernen, die sich die Technologien sichern wollen. Und einige Firmen entwickeln sich zu den großen Arbeitgebern von Morgen mit jeweils mehreren tausend Mitarbeitern. Der Online-Modehändler Zalando aus Berlin etwa, der bis in den Deutschen Aktienindex Dax aufstieg, in dem die wichtigsten börsennotierten deutschen Unternehmen erfasst sind.
Manche der Startups sind groß, aber nicht börsennotiert, etwa Celonis aus München, deren Software Unternehmensstrukturen durchleuchtet und Abläufe beschleunigen kann. Auch die Onlinebanken N26 und Trade Republic aus Berlin oder der Übersetzungsspezialisten Deepl aus Köln gehören dazu. Weil viele Investoren Risikokapital gegeben haben, ist ein theoretischer Unternehmenswert bekannt.
Wertvollstes deutsches Startup ist danach Celonis mit rund 13 Milliarden Dollar, wie die US-Analysefirma CB Insights ermittelt hat. Auf Rang 2 folgt N26 mit 9,23 Milliarden Dollar. Insgesamt 31 deutsche Technologiefirmen sind mehr als eine Milliarden Dollar wert. Solche Unternehmen werden Einhörner genannt. In der Liste tauchen auch Personio (Personalsoftware, München), Helsing (Rüstung, München), Forto (Logistiksoftware, Berlin) und der Drohnenhersteller Volocopter aus dem baden-württembergischen Bruchsal auf.